Übergewicht und Krebs
Übergewicht ist mit einer erhöhten Krebsmortalität assoziiert.
Titel
Overweight, obesity, and mortality from cancer in a prospectively studied cohort of U.S. adults.
Autoren
Calle EE, Rodriguez C, Walker-Thurmond K, Thun MJ.
Quelle
N Engl J Med 2003 Apr 24;348(17):1625-38
Abstract |
Fragestellung
Welchen Einfluss hat Übergewicht auf die Krebsmortalität allgemein und auf die Mortalität bei spezifischen Krebslokalisationen?
Hintergrund
Die Rolle von Übergewicht als Risikofaktor für kardiovaskuläre Krankheiten ist klar belegt. Es gibt aber auch zahlreiche Hinweise, dass Übergewicht die Krebsmortalität erhöht. Es fehlen bisher jedoch ausreichende Daten zur Quantifizierung dieses Risikos, insbesondere auch für die einzelnen Krebstypen respektive Krebslokalisationen.
Methode
Es handelt sich um eine prospektive Kohortenstudie. Für die Klärung der Fragestellung wurden die fast 1.2 Millionen Teilnehmer der Amerikanischen Cancer Prevention Study II herbeigezogen. 1982 wurden allen Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Studie Fragebogen verschickt, in denen demographische Fakten, anamnestische Daten bezüglich Krebskrankheiten und verschiedene Angaben über life-style sowie über das private und berufliche Umfeld erhoben wurden. Am 31. Dezember 1998 wurde eine Analyse der Daten der Personen vorgenommen, die in den dazwischenliegenden 16 Jahren verstorbenen waren. Die Todesfälle wurden bezüglich Geschlecht und Krebslokalisation mit dem Körpergewicht korreliert. Das Gewicht wurde mit dem BMI quantifiziert und nach WHO-Kriterien in 5 Gruppen eingeteilt, nämlich normalgewichtig (18.5-24.9), Grad 1 übergewichtig (25.0-29.9), Grad 2 übergewichtig (30.0-34.9), Grad 3 übergewichtig (35.0-39.9) und Grad 4 übergewichtig (> 40.0). Eine Subanalyse umfasste alle Personen ohne Raucheranamnese.
Ausschlusskriterien
Ausgeschlossen wurden alle Personen, die bei der initialen Erhebung 1982 keine Gewichtsangabe gemacht hatten, die zu diesem Zeitpunkt untergewichtig waren (BMI unter 18.5) oder die im Verlaufe eines Jahres vor 1982 mehr als 4.5 kg an Gewicht abgenommen hatten. Zusätzlich wurden auch Personen ausgeschlossen, die 1982 bereits an einem Malignom erkrankt waren. Ebenfalls nicht berück-sichtigt wurden Teilnehmer, bei denen keine Angabe über das Rauchen vorlag.
Endpunkte
Die Endpunkte der Studie waren Todesfälle infolge einer Krebserkrankung, aufgeschlüsselt nach primärer Krebslokalisation.
Resultate
Die Studienpopulation beinhaltete schlussendlich 900’053 Personen (45% Männer und 55% Frauen). Während den 16 Beobachtungsjahren waren 57’145 Krebstodesfälle zu verzeichnen, was 6.4% der Studienpopulation entspricht.
Bei Männern war ein signifikanter linearer Trend bezüglich Krebsmortalität mit steigendem BMI zu beobachten, und zwar für alle Krebslokalisationen gemeinsam (relatives Risiko 1.52) wie auch für die spezifischen Primärlokalisationen respektive Krebsarten Ösophagus (relatives Risiko 1.91), Magen (1.94), Kolon/Rektum (1.84), Leber (4.52), Gallenblase (1.76), Pankreas (2.61), Prostata (1.34), Niere (1.70), Non-Hodgkin-Lymphom (1.49), Multiples Myelom (1.71) und Leukämie. Keine signifikante Korrelation wurde betreffend Hirntumor, Blasenkarzinom und Melanom gefunden.
Bei Frauen wurden ähnliche Beobachtungen gemacht. Ein signifikanter linearer Trend wird für alle Krebslokalisationen gemeinsam berichtet (relatives Risiko 1.88), Kolon/Rektum (1.46), Leber (1.68), Gallenblase (2.13), Pankreas (2.76), Brust (2.12), Uterus Cervix (3.20) und Corpus (6.25), Ovar (1.51), Niere (4.75), Non-Hodgkin-Lymphom (1.95) und Multiples Myelom (1.44). Keine signifikante Erhöhung der Mortalität wurde betreffend Ösophagus, Magen, Melanom, Harnblase, Gehirn oder Leukämie beobachtet.
Bei beiden Geschlechtern war eine Abnahme der Krebsmortalität mit steigendem BMI lediglich betreffend Lungenkrebs zu beobachten. Dies gilt für die gesamte Studienpopulation (Raucher und Nichtraucher). Bei Betrachtung ausschliesslich der Nichtraucher verschwindet einerseits diese inverse Korrelation zwischen Lungenkrebs und steigendem Körpergewicht, und andererseits wird die Korrelation von BMI und Krebsmortalität ausgeprägter, insbesondere für Krebslokalisationen mit Nikotin als bekanntem Risikofaktor.
Die Autoren beziffern den durch Übergewicht verursachten Anteil an der Krebsmortalität auf 4.2% bei Männern und auf 14.3% bei Frauen. Bei Betrachtung der Nichtraucherpopulation alleine betragen die Anteile gar 14.2% und 19.8%.
Diskussion durch die Autoren
Die vorliegende Studie bestätigt mit hohen Fallzahlen bereits bekannte Fakten oder erhärtet bisherige Vermutungen, dass Übergewicht mit einer erhöhten Krebsmortalität einhergeht. Aufgrund der grossen Studienpopulation werden gewisse Unschärfen der Studie für die Resultate als nicht von kritischer Bedeutung angesehen. Als Beispiel wird der BMI angeführt, der einer Selbstdeklaration der Teilnehmer zum Zeitpunkt des Studieneintritts entspricht, ohne allfällige spätere Adaptation. Die Schlussfolgerung der prospektiven Kohortenstudie lautet, dass in den USA durch Einhaltung eines normalen Körpergewichtes rund 90’000 Krebstodesfälle pro Jahr vermieden werden könnten.
Zusammenfassender Kommentar
Übergewicht ist ein zwar bekannter und zum Teil auch anerkannter, aber ein eher wenig beachteter und wenig diskutierter Faktor im Zusammenhang mit Krebskrankheiten. Die vorliegende Studie beeindruckt durch die Grösse der Fallzahl. Zudem belegt sie, dass Übergewicht nicht nur für einzelne Krebsarten ein Risikofaktor darstellt, sondern als genereller Faktor zu betrachten ist. Wobei genau genommen in der Studie die Frage offen bleibt, ob ein Analogieschluss von der erhöhten Krebsmortalität auf eine erhöhte Krebsinzidenz zulässig ist. Die Publikation beschreibt im wesentlichen die gefundenen statistischen Fakten. Sie ist nicht dazu angelegt, Zusammenhänge zwischen Übergewicht und Krebsmortalität ursächlich zu erklären. Sie nimmt denn auch kaum Stellung zu möglichen biologischen Mechanismen. Trotzdem verdient die Studie Beachtung, denn es ist wohl unbestritten, dass angesichts der hohen Prävalenz von Übergewicht der positiven Korrelation zu Krebs eine hohe gesundheitspolitische Bedeutung zukommt. Leider ist es fraglich, ob die gefundenen Daten die Motivation zu Gewichtskontrollen und zu präventiven Massnahmen steigern können.
Besprechung von Dr. med. Martin Wernli, Zentrum für Onkologie/Hämatologie und Transfusionsmedizin, Kantonsspital Aarau.
N Engl J Med 2003 Apr 24;348(17):1625-38 - E. E. Calle et al
20.02.2004 - dde