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Therapeutische Schuhe bei diabetischen Füssen

Der Einfluss therapeutischer Schuhe auf eine erneute Ulceration bei diabetischen Füssen.

Titel

Effect of therapeutic footwear on foot reulceration in patients with diabetes: a randomized controlled trial.

 

Autoren

Reiber GE, Smith DG, Wallace C, Sullivan K, Hayes S, Vath C, Maciejewski ML, Yu O, Heagerty PJ, LeMaster J.

 

Quelle

JAMA 2002 May 15;287(19):2552-8

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

In dieser randomisierten Studie wurde die Ulkushäufigkeit untersucht, die durch das Tragen von therapeutischen Schuhen mit entweder individuell angepassten Korkeinlagen oder mit vorfabrizierten Einlagen verursacht wurden.

 

Hintergrund

Die Mehrheit (67%) der Bein-/Fussamputationen, die in den USA notwendig sind, werden bei Diabetespatienten durchgeführt. Etwa die Hälfte dieser Amputationen werden auf eine Läsion, verursacht durch zu enge Schuhe, zurückgeführt. Der Einfluss therapeutischer Schuhe auf die Ulkusentstehung wurde bis anhin wenig untersucht.

 

Methoden

Die 400 Teilnehmer an der Studie wurden aus 21’000 Krankengeschichten zweier Versicherungskassen mit der Diagnose Diabetes selektioniert. Randomisiert wurden die Teilnehmer auf 2 Studienarme und eine Kontrollgruppe verteilt.

 

Studienteilnehmer erhielten 3 Paar therapeutische Schuhe, entweder mit individuell angepassten oder vorfabrizierten Einlagen.

 

Die Studienteilnehmer wurden im ersten Monat wöchentlich, dann alle 17 Wochen im Rahmen der Studie gesehen. Die üblichen ärztlichen Kontrollen, inklusive sonstige Fusskontrollen, wurden unabhängig von der Studie weitergeführt.

 

Hautläsionen, die bis in die Dermis oder in das Unterhautgewebe reichten und nicht innerhalb von 30 Tagen abheilten, wurden als positives Studienresultat festgehalten.

 

Einschlusskriterien 

Bedingungen waren neben Diabetes:

  • Alter zwischen 45 und 84
  • Anamnese eines Ulkus (Hautläsion) oder eines Infektes, der mit Antibiotika behandelt werden musste
Ausschlusskriterien

Ausschlusskriterien waren u.a.:

  • Fussdeformität oder die Unfähigkeit, mindestens 8 Stiegentritte oder 100 m (einen «Häuserblock») zu gehen
  • Besonders grosse oder kleine Füsse
  • Status nach Amputation von mehr als einer Zehe
  • Aktuelles Ulkus
  • Prognostisch ungünstiger Krankheitszustand
Intervention

Die Studienteilnehmer wurden auf 3 Gruppen randomisiert. Die 2 Studiengruppen erhielten je 3 Paar Schuhe (Sport-, Freizeit- und Ausgehschuhe). Eine der Studiengruppe erhielt individuell angepasste Korkeinlagen. Die andere Studiengruppe erhielt vorfabrizierte, nicht individuell angepasste Einlagen aus Polyurethan. Zusätzlich erhielten alle Teilnehmer Pantoffeln für die Zeit zu Hause. Die Kontrollgruppe behielt die üblichen kommerziellen Schuhe.

 

Primäre Endpunkte

Der primäre Endpunkt war eine Hautläsion, die bis in die Dermis oder durch die Dermis reichte und die nicht innerhalb von 30 Tagen ausheilte. Ein Zusammenhang der Läsion mit dem Tragen der Schuhe wurde durch Befragung des Betroffenen und Inspektion der Schuhe festgestellt.

 

Beobachtungsdauer

Die Studienteilnehmer wurden über 2 Jahre beobachtet. Im ersten Monat fanden Kontrollen wöchentlich, dann alle 17 Wochen statt.

 

Resultate

Das durchschnittliche Alter der Studienteilnehmer betrug 62 Jahre. 23% waren Frauen, 78% waren Weisse, knapp 2/3 der Teilnehmer waren pensioniert oder invalidisiert. 1/3 der Teilnehmer hatte eine Diabetesdauer von unter 6 Jahren. 42% hatten keine Neuropathie und 68% hatten unauffällige, normale Füsse (32% mit leichten Veränderungen wie Hallux valgus, Hammerzehe oder Druckstelle).

 

Während den 2 Jahren der Studie wurden bei der Kontrollgruppe an 2.5% therapeutische Schuhe und an 4.5% individuelle Einlagen verschrieben. 13% der Kontrollgruppe kauften therapeutische Schuhe und 17% kauften sich Einlagen. 11% der Studienteilnehmer haben die Studie nicht beendet und 5.5% sind während der Studiendauer gestorben.

 

62 Teilnehmer hatten 95 erneute Ulcerationen in 84 Ulkusepisoden. Die auslösenden Gründe für ein Ulkus war das Tragen von nicht therapeutischen Schuhen (28.6%) im Gegensatz zu Therapieschuhen (10.7%). Nicht Schuh bezogene Ursachen (Trauma, Verletzung bei der Nagelpflege, Ischämie, Dekubitus) waren häufiger. Während den 2 Studienjahren wurden 11 Amputationen notwendig, 5 davon im Unterschenkel.

 

Unter den 9 Teilnehmern mit Re-Ulceration und therapeutischen Schuhen hatten alle eine Neuropathie. Unter den 24 Teilnehmern, die ein schuhunabhängiges Ulkus entwickelten, hatten 88% eine fehlende Sensibilität der Füsse und bei den 26 Teilnehmern, die ein Ulkus durch ein äusseres Trauma entwickelten, hatten 96% eine fehlende Sensibilität. Im Vergleich der Re-Ulkusrate bei Teilnehmern mit Fusssensibilität zu jenen mit fehlender Sensibilität wurde ein RR von 3.68 (95% CI 1.81-7.49) errechnet.

 

Gruppenvergleich der Endpunkte

Ausgehend von den ursprünglichen 400 Teilnehmern wurde für die Teilnehmer mit Fussulkus eine kumulative Rate von 15% bei der Gruppe mit therapeutischen Schuhen/individuellen Einlagen, 14% bei den Teilnehmern mit therapeutischen Schuhen/kommerziellen Einlagen und eine Rate von 17% in der Kontrollgruppe gefunden. Es fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen.

 

Diskussion durch die Autoren

Die Tatsache, dass in den Gruppen mit therapeutischen Schuhen keine Verminderung der Ulkushäufigkeit gefunden wurde, wird auf verschiedene Ursachen zurückgeführt. Der hohe Anteil der «normalen» Füsse ohne Neuropathie und Deformation, die Kontrollen der Füsse und Schuhe durch das Studienteam gemäss Studiendesign (alle 17 Wochen) und die extensive Definition des Ulkus (mind. 30 Tage) haben zu der tiefer als erwarteten Rezidivrate beigetragen.

 

Die Schlussfolgerung der Autoren ist wichtig, dass sorgsame und regelmässige Kontrolle der Füsse durch den Arzt mehr zur Verhinderung eines Ulkus beiträgt, als die Verordnung therapeutischer Schuhe. Ebenso wird darauf hingewiesen, dass Patienten mit Neuropathie für Traumas sehr gefährdet sind. Die Autoren schliessen auch aus den Resultaten, dass eine unbesonnene Verordnung therapeutischer Schuhe und Einlagen nicht unterstützt werden kann und dass individualisierte Korkeinlagen keinen Vorteil gegenüber den kommerziellen Spezialeinalgen bieten.

 

Zusammenfassender Kommentar

Spätkomplikationen sind der wesentlichste Kostenfaktor im Verlauf des Diabetes. Insbesondere Amputationen sind durch die langen Hospitalisationen und die folgende Invalidisierung teuer und einschränkend. Ulcera und Amputationen können aber durch verschiedene Massnahmen verhindert werden.

 

Die grundlegende Pflicht des betreuenden (Haus-) Arztes ist Risikopatienten herauszufiltern und besonders eng in einem Team zu betreuen. In einer Arbeit von Abbott in Diabetic Medicine (The North- West Diabetes Foot Care Study: Diabetic Medicine 2002; 19:377-384) wird als wichtigstes Screening Tool für das Risiko ein Ulkus zu entwickeln, die Befunde des 10 g Monofilaments und des Neuropathy Disability Score (ASR, Neurotherm, Stimmgabel, Neurotip) angegeben.

 

Die regelmässige Betreuung und Instruktion des Diabetikers mit einer peripheren Neuropathie sowie die Empfehlung für breite, nicht einengende Schuhe mit Weichbettung ist die Grundlage zur Verhinderung eines Ulkus oder eines Rezidivs. Spezielle therapeutische Schuhe und Schuhzurichtungen sowie individualisierte Einlagen sind bei Deformitäten sinnvoll und notwendig. Die Arbeit von Reiber unterstützt diese Haltung in der Diskussion der Resultate.

 

Gewisse Schlussfolgerungen können nicht auf europäische Verhältnisse übersetzt werden, da die Schuhmode bei uns anderen ästhetischen Kriterien obliegt. Bei uns werden modische Schuhe für den Alltag benutzt. Diese sind meist enger und damit problematischer in Hinblick auf eine Entwicklung einer Läsion.

 

Überraschend ist auch, dass alle Ulcera, auch jene, die nicht durch das Tragen der therapeutischen Schuhe verursacht wurden, in die Analyse einflossen. Als Einschlusskriterium wurden auch geringe Hautläsionen/Abrasionen akzeptiert. Bei diesen Patienten ist die Notwendigkeit für therapeutische Schuhe nicht gegeben, insbesondere wenn gleichzeitig auch keine Neuropathie vorlag.

 

 

Besprechung von Dr. med. Frank Achermann-Bieri, Schwerpunktpraxis Diabetes, Luzern

 

JAMA. 2002 May 15;287(19):2552-8 - G. E. Reiber et al

15.02.2004 - dde

 
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