Placebo in der Onkologie
Möglicherweise effektiv bei Symptomen wie Schmerz oder Appetitverlust – kein Effekt auf Tumorprogredienz.
Titel
Placebo effects in oncology.
Autoren
Chvetzoff G, Tannock IF.
Quelle
J Natl Cancer Inst. 2003 Jan 1;95(1):19-29
Abstract |
Fragestellung
Können Placebos bei Krebspatienten eine Verbesserung der Symptome, der Lebensqualität und eventuell sogar eine Tumorresponse bewirken?
Hintergrund
Der Placeboeffekt wurde 1955 von H. Beecher im JAMA zum ersten Mal beschrieben und kann definiert werden als «ein beobachteter Effekt bei Patienten, die eine Intervention bekommen haben, von der angenommen wird, dass sie keine spezifische Wirkung hat». Der beobachtete Effekt einer medikamentösen Behandlung ist eine Kombination von 3 Parametern: dem natürlichen Verlauf der Krankheit, dem spezifischen Effekt des Medikamentes und der unspezifischen Effekte, welche den Placeboeffekt mit einschliessen. Es wurde suggeriert, dass in bis zu 35% der Patienten mit verschiedensten Krankheiten durch Placebo eine Heilung oder mindestens eine Verbesserung der Symptome erzielt werden könnte. Leider gibt es viele methodologische und interpretatorische Mängel in den meisten bisher durchgeführten Studien, die explizit den Placeboeffekt untersucht haben. Ziel dieser Übersichtsarbeit war, auf Grund einer systematischen Literaturübersicht, den Placeboeffekt hinsichtlich Schmerz, Appetit, Gewichtszunahme, Lebensqualität und Tumorresponse bei Krebspatienten zu quantifizieren. Die Hypothese war, dass ein Placebo Symptome und Lebensqualität verbessern kann, aber keinen Effekt auf die Tumorprogredienz hat.
Methoden
Studiendesign
Systematische Literaturübersicht mit Einschluss von über 37 randomisierten, placebokontrollierten Studien (RCT) aus dem Bereich der Onkologie sowie 10 randomisierten, «best supportive care»-kontrollierten Studien (BSC).
Einschlusskriterien
- Publikation in englischer Sprache
- Randomisiert mit Placeboarm versus Chemotherapie, Immuntherapie, Hormontherapie oder Palliativtherapie für metastasierende Tumoren
- Tumorresponse, Lebensqualität oder Symptomkontrolle als untersuchte Endpunkte
Ausschlusskriterien
Studien zur Prävention oder zu Nebenwirkungen sowie Studien mit Untersuchung einer adjuvanten Therapie oder Studien, die mehr als 2 aktive Substanzen gegenüber Placebo verglichen, wurden von der Literaturübersicht ausgeschlossen.
Endpunkte
Symptomkontrolle, Änderungen in der Lebensqualität, Tumorresponse.
Resultate
Basisdaten
Siehe Tabelle 1
Nebenwirkungen traten bei 10-60% der Patienten in den Placebogruppen auf.
Diskussion durch die Autoren
Die zusammengefassten Daten aus mehreren Studien suggerieren einen gewissen Placeboeffekt für Schmerz, Appetit, Gewichtszunahme, Leistungssteigerung und Lebensqualität. Ein Effekt von Placebo auf die Tumorprogredienz erscheint auf Grund der analysierten Studien eher unwahrscheinlich zu sein. Der Placeboeffekt auf die Verbesserung der Lebensqualität war in den analysierten Studien sehr minimal und vergleichbar mit der Beobachtung für «best supportive care». Die beste Placebowirkung wird im Bereich Appetit- und Gewichtszunahme gesehen.
Wie die Autoren selber bemerken, haben ihre Schlussfolgerungen allerdings eine limitierte Aussagekraft, da die Datenqualität der Studien sehr unterschiedlich ist. Zudem wurden verschiedene Messmethoden zur Erhebung der Daten angewendet, was eine Zusammenfassung in Form einer Metaanalyse verunmöglichte. Weiter konnten nicht alle Daten «Intention-to-treat» bewertet werden und Biases zugunsten des Placeboeffektes können nicht ausgeschlossen werden. Ingsesamt kommen die Autoren der Literaturübersicht zum Schluss, dass bei Vorliegen einer substantiellen, gut dokumentierten Verbesserung der untersuchten Endpunkte, insbesondere der Tumorprogredienz, der Effekt eher unwahrscheinlich auf ein Placebo zurück zu führen ist.
Besprechung von Dr. phil. nat. K. Matter-Walstra, Dr. med. F. Grossenbacher, Mediscope.
J Natl Cancer Inst. 2003 Jan 1;95(1):19-29 - G. Chvetzoff et al
24.02.2004 - dde