Memantin bremst mittelschwere bis schwere Alzheimer-Demenz
Eine offene Follow-up Studie zur Beurteilung der Wirksamkeit über einen längeren Zeitraum.
Titel
A 24-week open-label extension study of memantine in moderate to severe Alzheimer disease
Autoren
Reisberg B, Doody R, Stoffler A, Schmitt F, Ferris S, Mobius HJ.
Quelle
Arch Neurol. 2006 Jan;63(1):49-54
Abstract |
Fragestellung
Wie effektiv und sicher ist der NMDA (N-Methyl-D-Aspartat)-Rezeptorblocker Memantin?
Hintergrund
Memantin verbessert bei Alzheimerpatienten die Wahrnehmung, psychomotorische Funktionen, erleichtert die Alltagsaktivitäten und reduziert die Abhängigkeit der Erkrankten. Folgende Verlängerungsstudie untersuchte die Langzeitwirkung und Sicherheit von Memantin bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz (AD).
Methoden
Studiendesign
Die 24-wöchige Studie folgte auf eine doppelblinde, randomisierte, placebokontrollierte 28 Wochen dauernde Primärstudie.
Setting
252 Patienten aus 30 amerikanischen Zentren wurden in die Studie randomisiert.
Einschlusskriterien
Patienten mit Demenz nach DSM IV-Kriterien (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Ausgabe) und Verdacht auf AD nach NINCDS-ADRDA-Kriterien (National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke-Alzheimer’s Disease and Related Disorders Association), entsprechende Veränderungen im CT oder MRI.
Weitere Einschlusskriterien: mindestens 50-jährig, 3 bis 14 Punkte im MMS (Mini-Mental-Status), Schweregrad 5 oder 6 im GDS (Global Deterioration Scale) und Stadium 6a oder mehr im FAST (Functional Assessment Staging Score).
Intervention
Alle Patienten erhielten Memantin für 24 Wochen. Um die Verblindung der Primärstudie zu wahren, begannen alle Patienten mit 5 mg/d und wurden auf 20 mg/d aufdosiert. Die Gruppe, die von Placebo auf Memantin wechselte, wird in der Folge als PLA-MEM-Gruppe bezeichnet; die weiterhin Memantin einnahm, als MEM-MEM-Gruppe.
Primärer Endpunkt
Wirkungs- und Sicherheitsprofil von Memantin.
Das Wirkungsprofil wurde zu Beginn, Mitte und am Ende der Verlängerungsstudie erhoben. Dazu dienten: ADCS-ADL19 (19 Punkte Alzheimer’s Disease Cooperative Study-Activities of Daily Living Scale), CIBIC-Plus (Clinician’s Interview-Based Impression of Change plus Caregiver Input). Weiter: SIB (Severe Impairment Battery), MMS (Mini Mental Status), FAST (Functional Assessment Staging), GDS (Global Deterioration Scale) und NPI (Neuro-Psychiatric Inventory).
Das Sicherheitsprofil wurde durch angegebene Nebenwirkungen, Laborwerte und Vitalmessungen evaluiert.
Resultate
Von 252 randomisierten Patienten beendeten 181 die Primärstudie. Davon stellten sich 175 Patienten für die Extensionsstudie zur Verfügung.
Wirkunsprofil
ADCS-ADL-Score: Die Patienten in der PLA-MEM-Gruppe verschlechterten sich in der Verlängerungsphase signifikant langsamer als in der Primärstudie (P = 0.021). Die Verschlechterung in der MEM-MEM-Gruppe war hingegen schneller im Vergleich zur Primärstudie (P = 0.035).
CIBIC-Plus: Am Ende der Verlängerungsstudie verbesserten sich in beiden Gruppen gleich viele Patienten (51%) um 4 Punkte oder mehr. Sowohl in der PLA-MEM-Gruppe als auch in der MEM-MEM-Gruppe war die Abnahme im CIBIC-Plus im Vergleich zur Abnahme wärend der Primärstudie signifikant langsamer (P jeweils < 0.001).
SIB-Score: Die PLA-MEM-Gruppe verschlechterte sich langsamer als während der Primärstudie
(P = 0.049). Die Abnahme in der MEM-MEM-Gruppe war mit der Abnahme während der Primärstudie vergleichbar (P = 0.086).
Sicherheitsprofil
Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
Tabelle 1: (Tabelle vergrössern: anklicken)
Insgesamt entsprachen sie denjenigen der Primärstudie. Der Schweregrad wurde in beiden Gruppen meist als mild oder mittelschwer angegeben. In beiden Gruppen wurden keine klinisch bedeutsamen Änderungen der Vitalparameter oder der Laborwerte beobachtet.
Diskussion durch die Autoren
Die Resultate dieser Verlängerungsstudie bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit von Memantin passen gut zu den Ergebnissen der Primärstudie. Für die Endpunkte wurden in beiden Phasen dieselben Messmethoden verwendet, was eine längerfristige Beurteilung der klinisch relevanten Outcomes, die mit dem Fortschreiten der Demenz assoziiert sind, ermöglicht. Die Beurteilung der funktionellen Fähigkeiten, der klinische Gesamteindruck (ADCS-ADL, CIBIC-Plus) und die Ergebnisse der kognitiven Tests (SIB) sprechen für die Wirksamkeit von Memantin. Die Patienten, die von Placebo auf Memantin umgestellt wurden, profitierten vom Wechsel. Für die Patienten der MEM-MEM-Gruppe war die weiterführende Behandlung mit Memantin ebenfalls vorteilhaft.
Eine wichtige Frage bei Verlängerungsstudien ist, ob Patienten, die von Placebo auf die aktive Behandlung wechseln im Vergleich zu den Patienten mit primär aktiver Medikation aufholen. In
dieser Studie holten die Patienten der PLA-MEM-Gruppe gegenüber der MEM-MEM-Gruppe im ADCS-ADL und SIB nicht vollständig auf, im CIBIC-Plus holten sie nahezu vollständig auf.
Memantin wurde gut vertragen und das Sicherheitsprofil war in beiden Gruppen vergleichbar. Die unerwünschten Nebenwirkungen entsprachen denjenigen früherer Untersuchungen. Zukünftige Studien sollten die Wirksamkeit von Memantin in früheren Stadien der Alzheimererkrankung und bei anderen Demenzformen überprüfen.
Zusammenfassender Kommentar
Die Resultate der Extensionsstudie bestätigen die Ergebnisse der Primärstudie und demonstrieren die wirksame und sichere Verwendung von Memantin bei mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Demenz. Der Benefit der Memantinbehandlung in der Primärstudie (versus Placebo) wurde auch bei den Patienten in der Verlängerungsstudie beobachtet, die primär Placebo erhielten (PLA-MEM-Gruppe). Bei Patienten mit Memantin in der Primärstudie, schien insgesamt der Nutzen bei den klinisch relevanten Outcomes weiterhin zu bestehen (MEM-MEM-Gruppe). Das Nebenwirkungsprofil war günstig und mit demjenigen der Primärstudie vergleichbar. Diese neuen Daten von Reisberg und Kollegen untermauern die Annahme, dass die Langzeitbehandlung mit Memantin sicher ist und möglicherweise einen längerfristigen klinischen Nutzen bringt.
Dr. med. Gerhard Emrich, Mediscope, Zürich
Arch Neurol 2006;63:49-54 - B Reisberg et al
28.03.2006 - dde