Grippeprophylaxe mit Oseltamivir
Wirksamkeit von Oseltamivir in der Grippeprophylaxe während einer Epidemie.
Titel
Effectiveness of Oseltamivir in Preventing Influenza in Household Contacts: a Randomized Controlled Trial.
Autoren
Welliver R, Monto AS, Carewicz O, et al., for the Oseltamivir Exposure Prophylaxis Investigator Group.
Quelle
JAMA, 2001 Feb 14; 285:748-54
Abstract |
Fragestellung
Schützt Oseltamivir vor einer Grippeinfektion bei Kontakt mit an Grippe erkrankten Familienangehörigen?
Hintergrund
Grippe wird durch Tröpfcheninfektion übertragen. Familienangehörige im gleichen Haushalt sind besonders gefährdet. Das Risiko ist bei älteren Menschen und bei diversen Grundkrankheiten erhöht. Bei einer Pandemie können auch Kinder und jüngere Erwachsene schwer erkranken. Im November 2000 ist Oseltamivir von der FDA zur Grippeprophylaxe während Epidemien zugelassen worden. In der Schweiz ist Oseltamivir zur Therapie einer Influenza A und B zugelassen. Die Schweiz ist bekannt durch eine gegenüber anderen europäischen Ländern tiefe Rate der jährlichen aktiven Grippeimpfung.
Methoden
Studiendesign
Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie mit Follow-up während der 7-tägigen Versuchsperiode.
Setting
76 Untersuchungszentren in Nordamerika und Europa (in der Schweiz: Genf) bezogen 374 Familien während dem Winter 1998-1999 in die Studie ein.
Einschlusskriterien
Allgemeinmediziner rekrutierten Kontaktpersonen (minimal 2, maximal 8 Personen) von Grippepatienten (primäre Indexfälle) innerhalb 48 Stunden nach Symptombeginn.
Ausschlusskriterien
Familienangehörige mit Schwangerschaft, malignen Erkrankungen, Immundefizienz, chronischen Krankheiten (Leber, Niere), Kinder unter 12 Jahren.
Intervention
Während dem Grippeausbruch im Winter 1998-1999 wurden 195 Familien mit 497 Kontaktpersonen mit 75 mg Oseltamivir während 7 Tagen und 178 Familien mit 465 Kontaktpersonen mit Placebo behandelt. Die Indexpersonen mit Grippe wurden nicht antiviral behandelt. Beginn mit Behandlung spätestens 48 Std. nach Erkrankung der Indexperson.
Primäre Endpunkte
Familienangehörige mit labormässig bestätigter Influenza (Nasen-Rachen-Abstrich pos. oder 4-facher Serum-AK-Anstieg) mit oder ohne antivirale Behandlung.
Beobachtungsdauer
Klinische Untersuchung zu Beginn mit Nasen-Rachen-Abstrich und Serum-AK-Bestimmung, am
8. Tag klinische Untersuchung, zwischen 17.-25. Tag erneute Serum-AK-Kontrolle.
Resultate
Basisdaten
Keine Angaben über Vergleichbarkeit der Gruppen. Mitglieder der gleichen Familie wurden der gleichen Gruppe zugeteilt. Das Durchschnittsalter der Indexpatienten war 27 Jahre (1-76 Jahre). Erkrankte Indexpatienten hatten in 53% eine nachgewiesene Influenza A.
Patienten
Randomisiert: 962 Kontaktpersonen in 374 Familien
Oseltamivir: 497 Kontaktpersonen in 195 Familien
Placebo: 462 Kontaktpersonen in 178 Familien
Gruppenvergleich der Endpunkte
Siehe Tabelle 1
Diskussion durch die Autoren
In der Gruppe der mit Oseltamivir behandelten Kontaktpersonen traten keine Influenza A-Erkrankungen auf. Die protektive Wirkung gegen Influenza B betrug 78.5%. In der symptomatischen und in der nicht-symptomatischen Oseltamivir-Gruppe der Kontaktpersonen waren Influenzaviren seltener nachweisbar als in der Placebogruppe. Gastrointestinale Nebenwirkungen waren in beiden Gruppen gleich häufig. Es wird behauptet, dass 75 mg Oseltamivir über 7 Tage hoch effektiv sei beim Schutz der Kontaktpersonen eines Indexfalls und bei der Verminderung der Transmission auf weitere Familienmitglieder.
Zusammenfassender Kommentar
Die von Hoffmann-La Roche gesponserte Studie lässt ihr Produkt Oseltamivir als wirksame Prophylaxe von Grippeerkrankungen bei Kontaktpersonen von Grippekranken erscheinen. Neben dem hohen Preis (keine Kassenzulässigkeit) sind gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen) in ca. 10% zu beobachten. Die Grippeimpfung bleibt das wirksamste Mittel zur Grippeprophylaxe. Sinnvolle Anwendungsindikationen der Neuraminidase-Hemmer sind die temporäre Grippeprophylaxe bei Hoch-Risiko-Patienten mit ungenügender Immunantwort auf die Grippeimpfung und der Einsatz bei Grippeausbruch in Institutionen wie Alters- und Pflegeheimen. Dabei genügt die bei gesunden Kontaktpersonen in der Studie angewandte Zeit von 7 Tagen kaum. Die Medikation müsste wohl über wesentlich längere Zeit erfolgen bzw. während der ganzen Grippeperiode, was mit sehr hohen Kosten verbunden wäre. Die Studie macht keine Aussage über die Beeinflussung der schweren Komplikationen der Grippe wie Pneumonie und Tod.
Besprechung von Dr. med. Niklaus Egli, Hinwil
JAMA, 2001 Feb 14; 285:748-54 - R. Welliver et al
09.02.2004 - dde