Docetaxel beim hormonrefraktären Prostatakarzinom
Zwei Studien zur Evaluation der Chemotherapie beim fortgeschrittenen (= metastasierenden), hormonrefraktären Prostatakarzinom.
Titel
Docetaxel and estramustine compared with mitoxantrone and prednisone for advanced refractory prostate cancer.
Autoren
Petrylak DP, Tangen CM, Hussain MH, Lara PN Jr, Jones JA, Taplin ME, Burch PA, Berry D, Moinpour C, Kohli M, Benson MC, Small EJ, Raghavan D, Crawford ED.
Quelle
N Engl J Med. 2004 Oct 7;351(15):1513-20
Abstract |
Titel
Docetaxel plus prednisone or mitoxantrone plus prednisone for advanced prostate cancer.
Autoren
Tannock IF, de Wit R, Berry WR, Horti J, Pluzanska A, Chi KN, Oudard S, Theodore C, James ND, Turesson I, Rosenthal MA, Eisenberger MA; TAX 327 Investigators.
Quelle
N Engl J Med. 2004 Oct 7;351(15):1502-12
Abstract |
Fragestellung
Die Studien beschäftigen sich mit der Rolle der Chemotherapie beim fortgeschrittenen (= metastasierenden), hormonrefraktären Prostatakarzinom. Das Medikament Docetaxel wird mit der bisherigen Standardchemotherapie, der Kombination von Mitoxantron und Prednison, verglichen. In der einen Studie (SWOG) wird Docetaxel in Kombination mit Estramustin gegeben. In der anderen Studie (TAX 327) werden verschiedene Dosierungen von Docetaxel verwendet.
Hintergrund
Bisher konnte mit keiner Chemotherapie eine Verlängerung des Gesamtüberlebens beim metastasierenden Prostatakarzinom gezeigt werden. Die Standardchemotherapie in dieser Situation – wenn überhaupt von einem Standard gesprochen werden kann – ist Mitoxantron, welches immerhin einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität ergeben hat.
Methoden
Beide Studien wurden in einem randomisierten Phase-III-Design durchgeführt. An der Studie der Southwest Oncology Group (SWOG) nahmen verschiedene Zentren in den USA teil. Die TAX 327-Studie war ein internationaler Effort, an dem Zentren in den USA, Kanada, Australien und Europe mitarbeiteten.
Studiendesign
Randomisiertes Phase-III-Multizenterdesign. Die Studien konnten aus Gründen der Praktikabilität nicht doppelblind durchgeführt werden.
Einschlusskriterien
Patienten mit einem metastasierenden Prostatakarzinom konnten in die Studien eingeschlossen werden. Das Leiden musste unter einer Hormontherapie progredient gewesen sein. Eine ablative Hormontherapie wurde als Erhaltungstherapie weitergeführt. Da in wenigen Fällen bereits das Absetzen eines Antiandrogens wieder zu einem Tumoransprechen führen kann, musste ein entsprechender zeitlicher Abstand zum Antiandrogenentzug gewährleistet sein.
Ausschlusskriterien
Patienten in schlechtem Allgemeinzustand, mit signifikanter Komorbidität, nach chemotherapeutischer Vorbehandlung oder mit relevanten Zweittumoren wurden ausgeschlossen.
Intervention
- SWOG: 60 mg/m2 Docetaxel Tag 2 + 3 x 280 mg Estramustin Tag 1-5 alle 3 Wochen vs. 12 mg/m2 Mitoxantron Tag 1 + 2 x 5 mg Prednison täglich
- TAX 327: 75 mg/m2 Docetaxel alle 3 Wochen vs. 30 mg/m2 Docetaxel wöchentlich x 5 alle 6 Wochen vs. 12 mg/m2 Mitoxantron alle 3 Wochen
In allen Studienarmen wurde zusätzlich niedrig dosiertes Prednison eingesetzt
Endpunkte
- Primärer Endpunkt: Gesamtüberleben
- Sekundäre Endpunkte: Progressionsfreies Überleben, objektive Ansprechrate, PSA-Response, Lebensqualität (TAX 327)
Beobachtungsdauer
- SWOG: mediane Beobachtungsdauer 32 Monate
- TAX 327: mediane Beobachtungsdauer 20.8 Monate
Resultate
Basisdaten / Patienten
- SWOG: 770 Patienten
- TAX 327: 1’006 Patienten
Endpunkte
- SWOG: Das mediane Gesamtüberleben war 17.5 Monate im experimentellen Arm (Docetaxel und Estramustin) und 15.6 Monate mit Mitoxantron (p = 0.02). Ebenfalls signifikante Unterschiede wurden für die mediane Zeit bis zum Tumorfortschreiten (6.3 vs. 3.2 Monate) und für ein > 50% PSA Ansprechen (50 vs. 27%) beobachtet. Übelkeit und Erbrechen, Fieber in Neutropenie und kardiovaskuläre Komplikationen waren signifikant häufiger im Docetaxelarm.
- TAX 327: Das mediane Gesamtüberleben war 18.9 Monate mit 3-wöchentlichem Docetaxel, 17.4 Monate mit wöchentlichem Docetaxel und 16.5 Monate mit Mitoxantron (p = 0.02). Ein PSA-Abfall und eine Lebensqualitätsverbesserung wurde ebenfalls häufiger im 3-wöchentlichen Docetaxelarm beobachtet. Nebenwirkungen waren in den Docetaxelarmen häufiger.
Zusammenfassender Kommentar
Diese beiden Studien bedeuten einen klaren Paradigmenwechsel bei der Behandlung des hormonrefraktären metastasierenden Prostatakarzinoms. Beide Studien zeigen ganz klar einen Überlebensvorteil mit einer palliativen Chemotherapie mit Docetaxel gegenüber einer Vergleichschemotherapie mit Mitoxantron. Damit zeigen zum ersten Mal gleich 2 Studien einen Überlebensvorteil mit einer Chemotherapie und dies sogar gegenüber einer anderen Chemotherapie und nicht nur gegenüber unbehandelten Patienten. Diese Resultate bedeuten umsomehr einen Fortschritt in der Behandlung dieses häufigsten Tumors beim Mann, als dass auch die Lebensqualität mit der aggressiveren Therapie (Docetaxel) verbessert werden kann. Dies, obwohl die Toxizität in den Docetaxelarmen höher war. Die Tatsache, dass zwei parallele grosse internationale Studien zum gleichen Ergebnis gelangt sind, unterstreicht dessen Wichtigkeit und Verlässlichkeit. Aus diesem Grund kann Docetaxel klar als der neue Therapiestandard beim hormonrefraktären metastasierenden Prostatakarzinom bezeichnet werden, gegen welchen alle neuen Therapiemöglichkeiten verglichen werden sollten.
Besprechung von Prof. Dr. med. Markus M. Borner, Externer Konsiliardienst, Forschung med. Onkologie/Hämatologie, Inselspital Bern.
NEJM 2004;351:1502-1520 - DP Petrylak et al / IF Tannock et al
04.04.2005 - dde