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Carvedilol bei schwerer Herzinsuffizienz

Effekt von Carvedilol auf die Morbidität bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz – Resultate der COPERNICUS-Studie.

Titel

Effect of carvedilol on the morbidity of patients with severe chronic heart failure: results of the carvedilol prospective randomized cumulative survival (COPERNICUS) study.

 

Autoren

Packer M, Fowler MB, Roecker EB, Coats AJ, Katus HA, Krum H, Mohacsi P, Rouleau JL, Tendera M, Staiger C, Holcslaw TL, Amann-Zalan I, DeMets DL; Carvedilol Prospective Randomized Cumulative Survival (COPERNICUS) Study Group.

 

Quelle

Circulation 2002 Oct 22;106(17):2194-9

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Ziel der COPERNICUS-Studie bestand darin, den Einfluss von Carvedilol, einem nicht-selektiven Betablocker (mit a- und b-Rezeptoreneffekt), auf den Krankheitsverlauf bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz zu prüfen.

 

Hintergrund

Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) sind Betablocker in der Therapie seit einiger Zeit etabliert. In diesem Patientenkollektiv werden durch die Behandlung mit Betablocker die Überlebensrate verbessert, die Hospitalisationen verringert und die Leistungsfähigkeit gesteigert. Ob bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz eine ähnlich vorteilhafte Wirkung erzielt werden kann, war bisher unklar.

 

Methoden

In die Studie eingeschlossen wurden Patienten mit schwer eingeschränkter Pumpfunktion des linken Herzens (linksventrikuläre Auswurffraktion < 25%) welche unter Atemnot oder Ermüdung in Ruhe oder bei minimaler Anstrengung litten.

 

Geeignete Patienten kamen in eine von zwei möglichen Studiengruppen, Carvedilol oder Placebo. Die Zuteilung erfolgte im Doppelblindverfahren mit einer 1:1-Verteilung. Somit kannten weder die Patienten noch die betreuenden Ärzte den effektiven Inhaltsstoff (Carvedilol oder Placebo) der verabreichten Studienmedikation.

 

Das Studienmedikament wurde in Ergänzung zur angestammten Herzinsuffizienzbehandlung der Patienten verabreicht. Die Basistherapie bestand – entsprechend etablierter Richtlinien – aus einem Diuretikum zur Regulation des Flüssigkeitshaushaltes und einem Angiotensin Converting Enzyme Hemmer (ACE-Hemmer) oder einem Angiotensin II-Receptor-Antagonisten (AT II-Antagonist), sofern diese Medikamente gut toleriert wurden. Auch andere notwendige medikamentöse Behandlungen waren erlaubt, mit Ausnahme der Gabe von a-Block-ern, Kalzium-Antagonisten oder Klasse I-Antiarrhythmika während der letzten 4 Wochen sowie von Betablockern während der letzten 2 Monate vor Studieneinschluss. Ferner musste die letzte Verabreichung intravenöser, positiv inotroper (die Schlagkraft des Herzens steigernder) Medikamente oder intravenöser Vasodilatatoren (das Gefäss-Bett erweiternde Medikamente) bei Einschluss mehr als 4 Tage zurückliegen. Von der Studie ausgeschlossen wurden ausserdem Patienten mit Bedarf an Intensivpflege, fortwährender Hospitalisationsbedürftigkeit oder erheblicher Flüssigkeitsretention (Überwässerung).

 

Die Studienmedikation (Carvedilol oder Placebo) wurde 2 x täglich verabreicht, wobei die Patienten anfangs 2 x 3.125 mg Carvedilol oder Placebo erhielten. Bei guter Verträglichkeit erfolgte in zweiwöchentlichen Abständen eine Dosissteigerung bis zu einer Zieldosis von 2 x 25 mg Carvedilol oder Placebo. Sofern erforderlich konnten die Dosen der Studienmedikation sowie der übrigen kardialen Medikamente im Verlauf jederzeit angepasst werden.

 

Als primärer Endpunkt wurde die Mortalität (Überlebensrate) in den beiden Studiengruppen untersucht, wobei die Ursache des Todes in der Auswertung nicht berücksichtigt wurde (sogenannte all-cause-Mortalität).

 

Als sekundäre Endpunkte wurden das kombinierte Risiko für Tod oder Hospitalisation jedwelcher Ursache, das Risiko für Tod oder kardiovaskuläre Hospitalisation und das Risiko für Tod oder Hospitalisation infolge Herzinsuffizienz analysiert. Als weiterer Endpunkt wurde das subjektive Allgemeinbefinden des Patienten im Vergleich zur Ausgangssituation bei Studienbeginn erfragt.


Die mittlere Beobachtungsdauer der Studie betrug 10.4 Monate, die maximale Beobachtungsphase lag bei 28.7 Monaten.

 

Resultate

Insgesamt wurden 2’289 Patienten in die Studie eingeschlossen, wobei 1’133 in die Placebogruppe und 1’156 in die Carvedilolgruppe kamen. Die Charakteristika und klinischen Daten der Patienten (Geschlecht, Genese der Kardiomyopathie, linksventrikuläre Pumpfunktion, Hospitalisationsbedarf wegen Herzinsuffizienz, Blutdruck, Herzfrequenz, Kalium, Kreatinin, begleitende Medikation) zeigten eingangs der Studie keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen.

 

Die geplante Zieldosis wurde bei 77.6% der Patienten in der Placebogruppe und bei 66% in der Carvedilolgruppe innerhalb von 12 Wochen erreicht. Bei Studienende erhielten noch 70.5% (Placebo) respektive 60% (Carvedilol) die Zieldosis. Bei Patienten in der Carvedilolgruppe musste die Dosis im Verlauf häufiger reduziert werden (38.3% vs. 33.2%, p = 0.01). Ein Absetzen der Studienmedikation erfolgte dagegen häufiger in der Placebogruppe (12.6% vs 15.9%, p = 0.026).

 

Die jährliche Mortalität konnte durch Carvedilol um 35% (19.7%/Jahr vs. 12.8%/Jahr, p = 0.00013), das kombinierte Risiko für Tod und Hospitalisation jedwelcher Ursache um 24% (p = 0.00004) reduziert werden. Diese beiden Endpunkte wurden bereits zu einem früheren Zeitpunkt publiziert (N Engl J Med 2001;344:1651-8) und führten wegen der eindeutigen Unterschiede zu Gunsten der Carvediloltherapie aus ethischen Erwägungen zur vorzeitigen Beendigung der Studie.

 

Das kumulative 1-Jahres-Risiko für Tod und kardiovaskulär-bedingter Hospitalisation konnte unter Therapie mit Carvedilol um 27% reduziert werden (41.6 vs. 30.2%, p = 0.00002). Der kombinierte Endpunkt für Tod und Hospitalisation infolge Herzinsuffizienz wurde jährlich um 31% vermindert (37.9 vs. 25.5%, p = 0.000004).

 

Der vorteilhafte Effekt von Carvedilol konnte auch bei Hochrisikopatienten, d.h. bei Patienten mit wiederholten Dekompensationen oder mit schwerst eingeschränkter Pumpfunktion, nachgewiesen werden. In dieser Subpopulation wurden das kombinierte Risiko für Tod und kardiovaskuläre Hospitalisation beziehungsweise für Tod und Hospitalisation infolge Herzinsuffizienz um jeweils 33% (p = 0.002 für beide Endpunkte) vermindert.

 

Die Anzahl der Hospitalisationstage lag in der Carvedilolgruppe um 27% tiefer als in der Placebogruppe (6.2 Tage/Patient vs. 8.5 Tage/Patient, p = 0.0005), und die Hospitalisationstage infolge Herzinsuffizienz wurden um 40% vermindert (2.9 Tage/Patient vs. 4.9 Tage/Patient, p < 0.0001). Diese Differenzen resultierten sowohl aus einer verminderten Anzahl Hospitalisationen als auch aus einer Verkürzung der durchschnittlichen Hospitalisationsdauer.

 

Die Patienten in der Carvedilolgruppe berichteten nach 6-monatiger Therapie häufiger über eine Verbesserung des Allgemeinbefindens und seltener über eine Verschlechterung verglichen mit der Placebogruppe (p = 0.0009).

 

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse traten in der Carvedilolgruppe insgesamt seltener auf (39% vs. 45.5%, p = 0.002), dies v.a. durch Reduktion von plötzlichen Todesfällen, kardialen Schockzuständen, Kammertachykardien und Berichten über schlechter werdende Herzinsuffizienz-Symptome (alle p < 0.05).

 

Diskussion durch die Autoren

Bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz wurde früher, wegen des negativ inotropen Effektes von Betablockern, eine Verschlechterung der Symptomatik durch Gabe dieser Medikamente befürchtet. Aufgrund der vorliegenden Daten konnte diese Sorge für den nicht-selektiven Betablocker Carvedilol eindeutig entkräftet werden. Im Gegenteil: durch die Therapie mit Carvedilol wurden bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz sowohl die Überlebensrate verbessert, als auch die Rate, Anzahl und Dauer von Hospitalisationen vermindert. Ferner konnte das Auftreten schwerwiegender unerwünschter Krankheitsereignisse generell reduziert und das subjektive Allgemeinbefinden der Patienten günstig beeinflusst werden.

 

Da in der COPERNICUS-Studie ein Intensivpflege-bedarf, Zeichen der deutlichen Überwässerung und ein aktueller Bedarf an intravenösen positiv inotropen Medikamenten oder intravenösen Vasodilatatoren zum Studienausschluss führten, wird von einem Einsatz von Carvedilol in diesen Situationen abgeraten.

 

Zusammenfassender Kommentar

Aufgrund des eindeutigen Benefits von Carvedilol in der COPERNICUS-Studie sollten Betablocker bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz zur Standardtherapie gehören. Ob Carvedilol in dieser Situation wegen der zusätzlichen a-Wirkung anderen Betablockern überlegen ist, kann bisher nicht konklusiv beantwortet werden. Mit den b-selektiven Präparaten Metoprolol und Bisoprolol wurden vergleichbare Resultate publiziert (MERIT-HF-Studie, CIBIS-II-Studie), so dass die Wahl des Betablockers nicht von entscheidender Bedeutung zu sein scheint.

 

Gemäss der bisherigen Datenlage sollte bei dekompensierten Patienten vor Beginn der Betablockertherapie eine initiale Stabilisierung mit anderen Herzinsuffizienzmedikamenten, u.a. ACE-Hemmer und Diuretika, bewirkt werden. Der Betablocker sollte initial vorsichtig dosiert und anschliessend behutsam unter regelmässigen Kontrollen gesteigert werden. Bei guter Toleranz sind im Verlauf die in den Studien gewählten Zieldosen anzustreben.

 

Die Herzinsuffizienz ist häufig eine Erkrankung älterer Menschen. Bei diesen Patienten ist der Aspekt der Lebensqualität von grosser Bedeutung; das Ziel der Lebensverlängerung rückt dagegen in den Hintergrund. Die Resultate der COPERNICUS-Studie weisen auf eine Verbesserung der Lebensumstände hin. Allerdings fehlt in der Studie eine differenzierte Analyse des subjektiven Befindens des Patienten mittels validierter Fragebögen, was eine Limitierung der diesbezüglichen Beurteilbarkeit darstellt.

 

Besprechung von Dr. med. A. Bernheim, Prof. P. Buser, Kantonsspital Basel

 

Circulation 2002 Oct 22;106(17):2194-9 - M. Packer et al

19.02.2004 - dde

 
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