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Antibiotika bei Erkältung

Eine systematische Review zu Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Antibiotikagabe beim akuten Infekt der oberen Luftwege.

Titel

Antibiotics for the common cold (Cochrane Review).

 

Autoren

Arroll B.

 

Quelle

Cochrane Database Syst Rev 2002;(3):CD000247

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Wie wirksam sind Antibiotika im Vergleich zu Placebo beim akuten Infekt der oberen Luftwege (Common Cold)? Ist die Antibiotikagabe bei Common Cold mit wesentlichen Nebenwirkungen verbunden?

 

Hintergrund

Common Cold gilt allgemein als viral bedingt und eine Antibiotikagabe scheint deshalb nicht angezeigt. Trotzdem werden in vielen Ländern Antibiotika als Prävention einer sekundären bakteriellen Infektion bzw. auf Wunsch der Patienten gegeben. Zunehmend Sorge bereitet in diesem Zusammenhang die Resistenzproblematik.

 

Methoden

Es wurde eine systematische Review mit Meta-Analysen durchgeführt.

 

Literatursuche

Eine systematische Literatursuche wurde im Cochrane Controlled Trials Register, in MEDLINE, EMBASE und in der Family Medicine Database durchgeführt. Zusätzlich wurden die Referenzlisten der gefundenen Publikationen durchgesehen und die Autoren kontaktiert mit dem Ziel, zusätzliche unpublizierte Studien zu lokalisieren. Unpublizierte Studien wurden keine gefunden; die letzte Literatursuche datiert vom Mai 2001. Es wurden alle Sprachen berücksichtigt.

 

Einschlusskriterien für Studien

Eingeschlossen wurden randomisierte kontrollierte Studien, welche eine beliebige Antibiotikatherapie mit Placebo bei Common Cold von weniger als 7 Tagen Dauer bei Patienten beliebigen Alters verglichen.

 

Common Cold wurde entsprechend der International Classification of Health Problems in Primary Care (ICHPPC) definiert als Krankheit mit akuter Entzündung der nasalen oder pharyngealen Mukosa bei Abwesenheit anderer, spezifisch definierten Zustände (Streptokokken-Angina, Laryngitis, Bronchitis, Pneumonie, Asthma und Heuschnupfen). Studien mit Patienten mit purulentem Nasensekret wurden eingeschlossen.

 

Aufgrund von Titel, Abstract und Volltext wurden initial diejenigen Artikel ausgeschlossen, welche die Einschlusskriterien klar nicht erfüllten. Diese Beurteilung erfolgte durch einen Reviewer; die anschliessende Qualitätsbeurteilung der verbleibenden Studien erfolgte unabhängig durch zwei Reviewer.

 

Ausschlusskriterien für Studien

Studien mit folgenden Charakteristika wurden ausgeschlossen:

  • Gabe einer aktiven Substanz anstelle oder zusätzlich zu Placebo in der Kontrollgruppe
  • Prophylaktische Antibiotikagabe
  • Nachweis von b-haemolysierenden Streptokokken in mehr als 5% der Patienten
  • Fehlende Randomisierung
  • Patienten mit einer Anamnese von schweren, anderen Krankheiten
  • Patienten mit Bronchitis
  • Dauer der Symptome über 7 Tage bei Studieneintritt
  • Patienten mit Mehrfachtherapien
  • Pharyngitis-Definition im Widerspruch zu ICHPPC
Intervention

Alle Studien verglichen die Gabe eines beliebigen Antibiotikums mit Placebo (Tetracycline in 4 Studien, Penicillin, Ampicillin, Amoxycillin bzw. Amoxycillin / Clavulansäure in 4 Studien, Erythromycin in einer Studie, Co-trimoxazol in einer Studie, Cephalosporin und Xibornol in einer Studie).

 

Endpunkte

Berücksichtigt wurde die Persistenz der Symptome (Rhinitis, Halsschmerzen) sowie die Allgemeinbeurteilung von Gesundheitszustand und Nebenwirkungen.

 

Beobachtungsdauer

Die Beobachtungsdauer variierte zwischen 3 und 8 Tagen.

 

Resultate

Studien und Patienten

Es wurden 9 Studien mit insgesamt 2’249 Patienten eingeschlossen. Der jüngste Patient war 2 Monate alt, nach oben bestand keine Limite. Die Meta-Analyse zur persistierenden Symptomatik schloss 6 Studien mit insgesamt 1’147 Patienten ein; die Meta-Analyse zu den Nebenwirkungen schloss 5 Studien mit insgesamt 1’087 Patienten ein.

 

Vergleich der Endpunkte

Persistierende Symptomatik: Die Meta-Analyse zeigte kein signifikant besseres Resultat für die Antibiotikagruppe (OR: 0.8; 95% CI: 0.59-1.08; n = 664 vs. n = 483).

 

Eine Studie (Taylor et al 1977) zeigte bei klarer Nasensekretion einen signifikanten Nutzen der Antibiotikatherapie (OR: 0.47; 95% CI: 0.24-0.95; n = 129 vs. n = 59). Die Meta-Analyse der zwei Studien (Taylor et al 1977 und Herne at. al. 1980) zu Halsweh zeigte einen signifikanten Nutzen in der Antibiotikagruppe (OR: 0.27; 95% CI: 0.10-0.74; n = 175 vs. n = 81).

 

Nebenwirkungen: Bei erwachsenen Patienten zeigten sich signifikant mehr Nebenwirkungen unter Antibiotika (OR: 3.6; 95% CI: 2.21-5.89; n = 449 vs. n = 410); bei Kindern war dies nicht der Fall (OR: 0.9; 95% CI: 0.44-1.82; n = 152 vs. n = 76).

 

Diskussion durch die Autoren

Nach Ansicht der Autoren scheinen Antibiotika bei Common Cold keinen Nutzen zu haben. Das häufigere Auftreten von Nebenwirkungen hat sich bei den Erwachsenen bestätigt. Die Autoren weisen darauf hin, dass die fehlende Bestätigung vermehrter Nebenwirkungen bei Kindern im Widerspruch steht zur generellen Erkenntnis, dass Antibiotika bei Kindern häufig gastrointestinale Nebenwirkungen verursachen.

 

Zusammenfassender Kommentar

Die Autoren formulieren ihre Schlussfolgerung in Abstract und Paper unterschiedlich. Die Aussage im Abstract «There is not enough evidence of important benefits from the treatment of upper respiratory tract infections with antibiotics to warrant their routine use….» erscheint zutreffend. Im Kapitel «Implications for practice» gehen sie aber weiter und schreiben: «Antibiotics appear to have no benefit in the treatment of acute upper respiratory tract infections...» Diese Aussage muss insofern diskutiert werden, als dass eine OR von 0.8 auch bei fehlender Signifikanz (95% CI: 0.59-1.08) durchaus auf einen Nutzen hinweisen kann. Dies auch deshalb, weil die Resultate bei Halsschmerz und Nasensekret (v.a. bei klarem Sekret; bei purulentem Sekret weniger deutlich) mit einem Nutzen einer Antibiotikagabe vereinbar sind. Sicher zutreffend ist im Hinblick auf die Resistenzproblematik die Empfehlung «... antibiotics should not be given in the first instance».

 

Bemerkungen zum Studien-Design und Beschreibung

Mit zahlreichen Sensitivitätsanalysen wurde die Robustheit der Resultate von den Autoren untersucht: Die Ergebnisse sind unterschiedlich und bei den gemachten Annahmen schwierig zu interpretieren. Folgende Unklarheiten bzw. Inkongruenzen finden sich: Im Abstract steht: «Two studies found a significant benefit for antibiotics compared with placebo for runny nose (clear) odds ratio 0.42 (0.22-0.78).» Der Satz stimmt insofern nicht, als dass bei einer der beiden Studien (Herne et. al. 1977) die Qualität der nasalen Sekretion nicht beschrieben ist (Die Studie wurde sowohl in die Meta-Analyse für die klare als auch in diejenige für die purulente Sekretion einbezogen). Zwischen den Angaben in der Diskussion und im entsprechenden Diagramm findet sich eine Inkongruenz: Für die Kombination der beiden Studien Taylor (1977) und Herne (1980) zur klaren Nasensekretion wird ein CI von 0.22-0.76 angegeben (In Diagramm der entsprechenden Meta-Analyse wird als CI 0.22-0.78 angegeben).

 

Die initiale Selektion der zu berücksichtigenden Studien erfolgte durch nur einen Reviewer. Eine irrtümliche Nichtbeachtung eines Literaturzitates ist möglich und wird im weiteren Verlauf der Review nicht mehr bemerkt; dieser Arbeitsschritt sollte deshalb zumindest von einer zweiten Person kontrolliert werden.

 

 

Besprechung von Dr. med. Juerg P. Bleuer, healthevidence GmbH

Cochrane Database Syst Rev 2002;(3):CD000247 - B. Arroll

12.02.2004 - dde

 
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