Editorial
Grundversorger sind entscheidend für Tumorpatienten.
In den letzten 20 Jahren haben sich die Krebsbehandlungen stark verbessert. Zirka 60% aller Krebspatienten leben heute länger als 5 Jahre nach der Erstdiagnose. Einerseits sind die chirurgischen Behandlungen insgesamt schonungsvoller, anderseits gehört die Behandlung mit Chemo- und/oder Strahlentherapie in vielen Fällen heute zum Standard.
Erste Erfolge in der medikamentösen Primärprävention von Krebs sowie das Erkennen von genetischen Ursachen lassen hoffen, dass langfristig nicht nur die Mortalität, sondern auch die Inzidenz von Krebs gesenkt werden kann. Trotz dieser positiven Entwicklungen zählt man in der Schweiz weiterhin jährlich 30'000 Neuerkrankungen, während 17’000 Menschen jedes Jahr an den Folgen von Krebs sterben, 25 mal mehr als bei und nach Strassenunfällen.
Die Behandlung und Betreuung von Krebspatienten, sei es nach der Diagnosestellung, in der Palliativsituation oder nach Abschluss einer in kurativer Absicht durchgeführten Behandlung (einschliesslich Betreuung der Familien), stellt hohe Anforderungen an die einbezogenen Ärzte. Zwischen 1966 und November 2002 wurden 1'395'900 onkologische Artikel in der MEDLINE aufgelistet. Von diesen berichteten 800'000 über neue Behandlungs-, sowie 500'000 über neue Diagnoseverfahren, weitere 100'000 betrafen die Prognose von Krebserkrankungen. Diese Flut an Informationen fordert Spezialisten ebenso wie Grundversorger. Da die Anzahl möglicher Behandlungen bei den verschiedenen Krebserkrankungen rasch wächst, werden Behandlungsentscheide immer komplexer und die Verabreichung neuer Substanzen, insbesondere der Zytostatika und neuen Antikörperbehandlungen immer aufwändiger. Vielfach müssen deshalb die eigentlichen onkologischen Behandlungen den spezialisierten onkologischen Zentren überlassen werden. Der Aufgabe des Grundversorgers kommt jedoch weiterhin eine wichtige Bedeutung zu.
Dem Hausarzt bleiben ganz wichtige Aufgaben
Der Grundversorger muss über ein fundiertes Wissen über die Standarddiagnostik der verschiedenen Tumorarten verfügen. Wichtig dabei ist, dass er weiss, wo welche Diagnostikverfahren kompetent, rasch und für den Patienten schonungsvoll durchgeführt werden. Weiterhin obliegt ihm die Aufgabe, den Patienten und seine Familie umfassend aufzuklären und das Vertrauen zum Spezialisten und der in Frage kommenden Klinik für eine allfällige Operation, Chemotherapie und Bestrahlung aufzubauen. Ebenfalls ist die hausärztliche Mitbetreuung des Patienten bei diesen zum Teil sehr aufwändigen Therapien mit nicht unerheblichen Toxizitäten entscheidend, da oft nur durch rasches Handeln schwerwiegende Komplikationen verhindert werden können. Der Support zur Bewältigung von psychosozialen Problemen im Zusammenhang mit der Krankheit stellt eine weitere Herausforderung an den Grundversorger dar und verlangt eine gute Kenntnis von Hilfezentren, unterstützenden sozialen Institutionen sowie gesetzlichen Gegebenheiten.
In palliativen Situationen, wenn gezielte Tumortherapien unwirksam geworden sind, oder auch in der Sterbephase, wenn der Wunsch des Patienten besteht, zu Hause gepflegt zu werden oder sterben zu können, kann diesem Wunsch oft nur entsprochen werden, wenn der engagierte Grundversorger die Koordination dieser meist sehr aufwändigen Betreuung übernimmt. Fundierte Kenntnisse über adäquate Kontrolle von Symptomen und Schmerzen, Verhindern von unnötiger Lebensverlängerung, Unterstützung von Pflegeteam und Angehörigen sind dazu Grundvoraussetzungen.
Nicht zuletzt haben auch die von Krebserkrankungen geheilten Patienten spezielle medizinische Bedürfnisse. Einerseits bestehen oft langfristige und zum Teil auch irreversible Therapieschäden, anderseits sind diese Patienten rückfallgefährdet oder gefährdet für Zweittumore infolge genetischer Prädisposition oder als Folge einer durchgemachten Behandlung. Adäquate Überwachung dieser Langzeitprobleme sowie Beratung zur Prävention bei familiären Krebserkrankungen runden die wichtigen Aufgaben des Hausarztes ab. Die persönliche Beziehung zum Patienten und seiner Familie sowie die kontinuierliche Weiterbildung schaffen dem Grundversorger eine gute Voraussetzung, diese vielfältigen Aufgaben optimal zu bewältigen.
Dr. med. Katharina Buser, Oncocare Sonnenhof-Klink Engeried, 3012 Bern
Referenzen: Krebs in der Schweiz. Fakten Kommentare, Vereinigung Schweizer Krebsregister, Schweizerische Krebsliga, 1998; B. Djulbegovic, R.E. Coleman, R.A. Stahel, D. Singh and G. Lyman: Evidence-based oncology in cancer treatment reviews, Cancer Treatment Reviews 2003;29:45-50; H. Kattlove, R.J. Winn: Ongoing Care of Patients after Primary Treatment for their Cancer, CA Cancer J Clin 2003;53:172-196.
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