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Die Generalisierte Angststörung: Diagnose und Behandlung der «Sorgenkrankheit»

Epidemiologie

Die Generalisierte Angststörung (GAD = Generalised Anxiety Disorder) wurde in den Diagnostikmanualen bis vor kurzem als Restkategorie geführt und per Ausschluss diagnostiziert. Unter dem Einfluss neuerer, vor allem kognitiver Konzeptualisierungen der Angststörungen und nach Analyse grossangelegter epidemiologischer Erhebungen wurde der GAD im DSM-III-R, DSM-IV und ICD-10 der Status einer eigenständigen diagnostischen Entität zuerkannt.

 

Aus epidemiologischer Sicht ist insbesondere eine relativ hohe Lebenszeitprävalenz von 5% und die hohe Komorbiditätsrate (90%) insbesonders mit anderen Angststörungen, Depressionen und Suchterkrankungen festzuhalten, welche den Verlauf und die Therapie komplizieren, und die Arbeitsleistung, die psychosozialen Fähigkeiten sowie die Lebensqualität stark beeinträchtigen.

 

Symptomatik und Verlauf

Zentrales Symptom der Generalisierten Angststörung ist eine beständige Besorgtheit und Ängstlichkeit. Charakteristisch sind anhaltende, übersteigerte, unrealistische oder quälende Befürchtungen, die sich auf alle Alltagssituationen beziehen können. Die Besorgtheit kann z.B. um die eigene Gesundheit, die Familie, die Arbeit oder die Finanzen kreisen. Vereinfacht und überspitzt formuliert könnte man die GAD auch als «pathologische Besorgtheit» bezeichnen, weshalb man auch von «Sorgenkrankheit» spricht. Betroffenen ist das übersteigerte Ausmass ihrer Ängste und Befürchtungen üblicherweise bewusst, sodass diese selbst zum Gegenstand der Besorgnis werden können. Besonders belastend ist das Gefühl, von den Sorgen überschwemmt zu werden. Die anhaltende Ängstlichkeit führt zu weiteren Beschwerden (Siehe Abbildung 1). Häufig besteht bereits prämorbid ein Hang zu Besorgnis. Typisch ist ein chronisch-persistierender und fluktuierender Verlauf.

 

Da sich die Störung in relativ unspezifischen Symptomen, vor allem auch in körperlichen Beschwerden, äussert, konsultieren GAD-Patienten vorzugsweise ihren Hausarzt, für den die Diagnosestellung schwierig ist, weil die körperlichen Symptome dominieren. Hieraus erklären sich auch die Ergebnisse epidemiologischer Studien (u.a. der Europäischen ESEMeD-Studie), dass nur ein kleiner Teil der Angststörungen erkannt und adäquat behandelt wird.

 

Damit die GAD häufiger erkannt wird, schlägt die Schweizerische Gesellschaft für Generalisierte Angststörungen (SGGA) folgende Screening-Frage vor: «Machen Sie sich häufig und über alles Mögliche Sorgen?»

 

Grundzüge der Psychotherapie

Die wesentlichen Elemente der psychotherapeutischen Betreuung von GAD-Patienten sind in Tabelle 1 dargestellt. Während bei einigen Patienten bereits Informationen, Gesundheitsberatung und Entspannungstechniken hilfreich sind, bedürfen andere einer spezifischen Psychotherapie.

 

Pharmakotherapie

Die zur Zeit anerkannteste Therapiestrategie ist die Kombination von psychotherapeutischen und medikamentösen Interventionen. Die aktuellen pharmakotherapeutischen Empfehlungen der SGGA sind in Tabelle 2 zusammengefasst und umfassen:

  • Basisbehandlung
  • Unterstützende Begleitbehandlung
  • Therapie von Komorbiditäten und speziellen Problemen

 

Basisbehandlung

Heute stehen unterschiedliche Medikamente zur Verfügung, wobei Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer als Mittel der ersten Wahl gelten. Diese Substanzen haben ein günstiges Wirksamkeits-, Verträglichkeits-, und Sicherheitsprofil und sind auch bei komorbider Depression oder anderen Angststörungen wirksam. Die von der SGGA empfohlenen Antidepressiva der ersten Wahl (Tabelle 2) sind für die GAD registriert, oder es liegen 2 kontrollierte Studien vor. Für
Antidepressiva zweiter Wahl liegt mindestens 1 kontrollierte Studie vor.


Dass nicht alle Antidepressiva der letzen Generation für die Indikation GAD zugelassen sind, lässt nicht automatisch auf fehlende Wirksamkeit schliessen. Die Durchführung von grossangelegten kontrollierten Studien, welche zur Registrierung der entsprechenden Indikation führen, hängt eher von Marketing-Überlegungen, als von der therapeutischen Eignung einer Substanz ab. Es ist zu erwarten, dass bald für weitere neuere Antidepressiva die Indikation GAD beantragt werden wird.

 

Buspiron ist für die Indikation GAD zugelassen und gilt als Alternative zu den Antidepressiva. Da es bei anderen Angststörungen und komorbider Depression nicht wirksam ist, kann es nur sehr eingeschränkt empfohlen werden.

 

Unterstützende Begleitbehandlung

Angesichts der Wirklatenz von Antidepressiva und ihrer gelegentlichen initialen Angstverstärkung, ist zu Beginn der Pharmakotherapie die Kombination mit einem Benzodiazepin ratsam. Die Dauer der Benzodiazepinverschreibung sollte, wenn möglich, auf 4-8 Wochen begrenzt werden. Einige Patienten werden aber auch längerfristig Benzodiazepine einnehmen müssen.

 

Benzodiazepine werden aufgrund ihres Abhängigkeitsrisikos häufig negativ beurteilt. Dabei muss aber die körperliche Abhängigkeit (mit begrenzter Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen) von der eigentlichen Suchtentwicklung (mit zunehmender Einengung des Denkens und des Verhaltens auf den Konsum) abgegrenzt werden. So entwickeln nach längerer Einnahme von Benzodiazepinen zwar 10-30% eine körperliche Abhängigkeit, eine Dosissteigerung wird allerdings selten beobachtet. Die Risiken einer Niedrigdosisabhängigkeit bestehen, sind aber sorgfältig und unvoreingenommen gegen die Nachteile persistierender, die Lebensqualität stark beeinträchtigender Angstsymptome abzuwägen. Bei wiederholter Einnahme von Benzodiazepinen kommt es zwar zu einer Toleranzentwicklung bezüglich der sedativen, schlafeinleitenden und ataktischen Wirkungen, für die angstlösende Wirkung lässt sich eine solche aber nur selten feststellen.

 

Indikation für Antipsychotika

Vom generellen Einsatz konventioneller Antipsychotika muss aufgrund des Nebenwirkungsprofils abgeraten werden (u.a. Exazerbation der Angstsymptomatik durch Akathisie). Neuere Untersuchungen mit atypischen Antipsychotika sind vielversprechend, die aktuelle Datenlage lässt allerdings eine Therapieempfehlung für diese Substanzen noch nicht zu.

 

Dauer der Pharmakotherapie

Die pharmakologische Behandlung gliedert sich, wie in der Depressionsbehandlung, in eine Akuttherapie und eine Erhaltungstherapie. Bevor von einem Nichtansprechen ausgegangen und die Therapie geändert wird, sollte während mindestens 4-6 Wochen behandelt worden sein, im Falle eines partiellen Ansprechens 6-8 Wochen.

 

Übliche Strategien bei Nichtansprechen sind:

  • 1. Dosiserhöhung
  • 2. Wechsel des Antidepressivums
  • 3. Adaptation der Benzodiazepinmedikation
  • 4. Anpassung (ev. Intensivierung) der Psychotherapie
Schlussfolgerungen

Die Generalisierte Angststörung (GAD) ist häufig, wird aber in vielen Fällen nicht diagnostiziert, was schwerwiegende Folgen für die Betroffenen haben kann. Wird die Diagnose gestellt – hierzu müssen die psychischen Beschwerden besonders erfragt werden – kann heute eine erfolgreiche Behandlung in Aussicht gestellt werden. Neuere Antidepressiva und psychotherapeutische Strategien sind erste Wahl.

 

Insbesondere drei Umstände machen eine enge Zusammenarbeit zwischen spezialisierter Psychiatrie und Grundversorgung wünschenswert:

  • 1. Die hohe Prävalenz von GAD Patienten beim Hausarzt
  • 2. Die sich vordergründig in körperlichen Beschwerden präsentierende Symptomatik
  • 3. Der zuweilen langwierige und von Patient und Arzt viel Geduld abfordernde Verlauf

 

Dr. med. Daniele F. Zullino, Département Universitaire de Psychiatrie Adulte, Prilly-Lausanne, Dr. med. Josef Hättenschwiler, Psychiatrische Universitätsklinik, Zürich

 



 
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