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Biologika in der Behandlung der Psoriasis

 

«Psoriasis zu überwinden ist eine Intelligenz- und Willenssache.
Intelligenz und Wille, ja, das sind die Waffen» (Irena Brezna)
      

Einleitung

Die Psoriasis ist eine chronisch rezidivierende Immundermatose, charakterisiert durch eine kutane Entzündungsreaktion mit epidermaler Hyperproliferation. Sie betrifft schätzungsweise 2% der Bevölkerung westlicher Industrienationen, wobei die chronische Plaque-Form-Psoriasis mit nahezu 90% die am häufigsten auftretende Form darstellt. Aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes benötigen 20% der Psoriasispatienten eine Foto- (PUVA, Schmalband-UVB) und/oder systemische Therapie mit Acitretin (Neotigason®), Methotrexat oder Cyclosporin A (Sandimmun Neoral®). 10 bis 30% leiden gleichzeitig an einer Psoriasis-Arthritis. Trotz einer Anzahl therapeutischer Optionen stösst die Langzeitbehandlung mittels den Standardtherapien im Hinblick auf unerwünschte Wirkungen, Kontraindikationen, Therapieresistenz, fehlende Langzeitwirkung, Reboundeffekt, Langzeittoxizität und Therapieaufwand an ihre Grenzen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit verbesserter Therapieformen. Dank Fortschritten in der Psoriasisforschung und Biotechnologie wurden neue Medikamente kreiert, die gezielt krankheitsrelevante Entzündungsmediatoren oder Zell-Zell-Interaktionen inhibieren. Diese sogenannten Biologika greifen in zentrale Schritte der Pathogenese der Psoriasis ein und haben damit das Potenzial, die Therapie der Psoriasis im Hinblick auf Effektivität, Sicherheit und Praktikabilität entscheidend zu verbessern (siehe Tabelle 1).


Tabelle 1: Konsens über die Wirkung der Biologika in der Behandlung der Psoriasis

 

Konsens 1:   Biologika als therapeutische Klasse sind in der Therapie der Psoriasis wirksam.

Konsens 2:

Biologika sind in der kurzzeitigen und mittelfristigen Anwendung retrospektiv nachweisbar sicher. Langzeitdaten werden weiterhin gesammelt und beobachtet.

Konsens 3:  Biologika sind als Monotherapie gleich effektiv oder sogar effektiver als herkömmliche Behandlungen.

Konsens 4:

Die Verlaufskontrolle bei den Biologika ist weniger aufwändig als bei den herkömmlichen systemischen Medikamenten.

Konsens 5:  Studien belegen, dass Biologika einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität (DLQI) leisten. 

Konsens 6: 

Da Biologika keine Organschäden auslösen, scheint ihr dauerhafter Einsatz möglich zu sein. Bezüglich Sicherheit werden sie langfristig überwacht.
Konsens 7:   Die Behandlung der Psoriasis soll in Zukunft nicht mehr stufenweise verlaufen. Die Wahl der Therapie sollte an die Bedürfnisse des Patienten und die Ausprägung der Symptome angepasst werden.

 

Mit der Einführung der Biologika in die Dermatologie ist eine neue Ära sowohl für den Psoriasis-Patienten als auch für den Dermatologen angebrochen. Nicht nur scheinen die Biologika den herkömmlichen systemischen Psoriasistherapien bezüglich Sicherheit- und Toleranzprofilen, Handhabung und Lebensqualität überlegen zu sein, sondern sie sind in ihrer Wirksamkeit inzwischen auch besser untersucht. Aufgrund der Datenlage der klinischen Studien zeigt sich nach Abwägen von Wirksamkeit, Risiko und Kosten, dass die Biologika viel versprechende Medikamente darstellen. Ob in der Klinik oder dermatologischen Praxis: Entscheidend ist im Einzelfall die medizinische Indikation sowie fehlende preisgünstigere echte therapeutische Alternativen. Augenfällig relevant sind hier bestehende Kontraindikationen für herkömmliche Therapieformen (Alter, Medikamenten-Interaktionen und Komorbiditäten), unzureichende Wirksamkeit und tatsächliche oder befürchtete unerwünschte Wirkungen.

 

Immunpathogenese der Psoriasis

Bei der Psoriasis handelt es sich um eine genetisch programmierte

Erkrankung mit fehlgeleiteter Immunität und Entzündung, ausgelöst durch eine Reihe von Triggerfaktoren. Hinweise auf eine primär immunologische Pathogenese ergeben sich aus dem Therapieansatz mit Cyclosporin A, welches eine Hemmung der T-Zell-Aktivierung bewirkt. Vermutet wird, dass die T-Zellen durch ein bislang unidentifiziertes Antigen (z.B. Keratin, möglicherweise mit immunologischer Kreuzreaktivität mit mikrobiellen Antigenen) aktiviert werden und dadurch den Krankheitsprozess in Gang setzen. Möglicherweise sind bestimmte Triggerfaktoren, wie Infekte und Trauma, die ihrerseits proinflammatorische Zytokine (Tumor Nekrose Faktor (TNF)-α, Interferone (IFN)), sowie kostimulatorische und Adhäsionsmoleküle (CD2/LFA-3 und LFA1/ICAM-1) hochregulieren vorgängig notwendig, um die Aktivierung einer autoreaktiven T-Zell-Antwort zu induzieren. Im Rahmen der ablaufenden Entzündungskaskade werden sowohl aus infiltrierenden als auch aus ortsständigen Zellen (T-Zellen, dendritische Zellen, Makrophagen, Mastzellen, Keratinozyten, Endothelzellen) eine Reihe von Zytokinen, (z.B. IL-1, IL-6, TNF α, IFN-gamma), Chemokinen (z.B. IL-8) und Wachstumsfaktoren (z.B. VEGF) freigesetzt. Ein Teil dieser Faktoren steigert die proliferative Aktivität der basalen Keratinozyten. Die mitotische Aktivität ist um ein Vielfaches erhöht, und die Keratinisierung kann nicht mehr normal ablaufen, es kommt zur Hyperparakeratose. Andere Faktoren führen zur Rekrutierung von weiteren Entzündungszellen, wie neutrophilen Granulozyten (Munroe’sche Mikroabszesse).

 

Entwicklung neuer Therapeutika: Biologika

Bei den Biologika handelt es sich um biotechnologisch hergestellte, therapeutische Proteine mit spezifischem pathogenetisch orientiertem Wirkmechanismus. Da es sich um grossmolekulare Proteine handelt, die im Gastrointestinaltrakt verdaut würden, müssen sie parenteral, zumeist durch subkutane, aber auch intramuskuläre oder intravenöse Gabe, verabreicht werden.

 

Zurzeit werden 2 Gruppen von Biologika zur Therapie der Psoriasis eingesetzt: monoklonale Antikörper (erkennbar an der Endigung –mab, z.B. Efalizumab) und Fusionsproteine (erkennbar an der Endigung –cept, z.B. Etanercept).

 

Als Zielstrukturen von Biologika können zum einen Strukturen auf der Oberfläche von Zellen gelten, zum anderen können diese Substanzen lösliche Mediatoren inaktivieren. Für die Therapie der Psoriasis sind als Zielstrukturen besonders T-Zellen und der lösliche Mediator TNF-alpha relevant, denen eine wichtige Rolle bei der psoriatischen Entzündung zugeschrieben wird.

 

Derzeit in der Schweiz zur Behandlung der Hautpsoriasis zugelassene Biologika sind Alefacept (Amevive®), Efalizumab (Raptiva®) und Etanercept (Enbrel®), im Zulassungsverfahren befindet sich das Infliximab (Remicade®). Indikation ist die Behandlung erwachsener Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Plaque-Psoriasis, bei den UV-B und PUVA oder eine der systemischen Therapien Acitretin, Methotrexat oder Ciclosporin A keinen therapeutischen Erfolg gezeigt haben. Etanercept und Infliximab sind auch wirksam in der Behandlung der Psoriasis-Arthritis. Die Verschreibung von Biologika erfolgt ausschliesslich durch Fachärzte.

 

T-Zell-gerichtete Biologika

Alefacept (Amevive®) ist ein Fusionsprotein aus LFA-3 und der konstanten Region eines humanen IgG1-Antikörpers. Sein LFA-3-Teil bindet an den CD2-Rezeptor von T-Zellen und blockiert so eine wichtige kostimulatorische Interaktion mit den Antigen-präsentierenden Zellen. Zudem führt die Substanz auch zu einer Reduktion der CD45 RO positiven Gedächtniszellen, dadurch dass der IgG1-Anteil des Fusionsproteins natürliche Killer-Zellen anlockt, die den programmierten Zelltod der T-Zellen bewirken.

 

Mehr als 1’300 Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis (> 10% befallener Körperoberfläche) wurden mit Alefacept in klinischen Studien behandelt. Die Substanz wird in Zyklen von 12 Wochen einmal wöchentlich in einer Dosierung von 15 mg i.m. gespritzt. 756 Patienten nahmen an einem zweiten, 199 auch an einem dritten zwölfwöchigen Therapie-Zyklus teil. 28% der Patienten waren nach der Behandlung frei oder weitgehend frei von Psoriasis-Symptomen (PASI75 = Verbesserung des Psoriasis Area and Severity Score um 75%). Bei einigen Patienten kam es nach Absetzen zu einer lang anhaltenden klinischen Remission von durchschnittlich neun Monaten. Der zweite Behandlungszyklus erhöhte den Anteil der Patienten mit einer signifikanten Verbesserung des Hautzustandes auf 43%.

 

Efalizumab (Raptiva®) beeinflusst ebenfalls die T-Zell-Aktivierung. Dieser monoklonale Antikörper blockiert durch die Bindung an CD11a des LFA-1 dessen kostimulatorische Funktion. Die Wirkung dieser Substanz beruht allerdings nicht nur auf einer Hemmung der Interaktion T-Zelle/Antigen-präsentierende Zelle, sondern massgeblich auch auf der Hemmung der Einwanderung von T-Zellen in die Haut.

 

Mehr als 2’700 Psoriasispatienten wurden in verschiedenen Studien mit Efalizumab einbezogen. Die Substanz wird einmal wöchentlich in einer Dosierung von 1 mg/kg Körpergewicht s.c. injiziert. Die Wirksamkeitsdaten beziehen sich im Wesentlichen auf eine Behandlungsdauer von 12 oder 24 Wochen. Hinzu kommt eine offene Behandlungsstudie zur Erhaltungstherapie über 36 Monate. Innerhalb von 12 Wochen erreichen 22-39% der Patienten einen PASI75. Die Therapieergebnisse verbesserten sich mit zunehmender Therapiedauer weiter. Bei einer Fortsetzung der Therapie bis zu 24 Wochen stieg der Anteil Patienten mit einem PASI75 auf 44% an. Bemerkenswert sind auch die Ergebnisse der Langszeittherapiestudie über 36 Monate. Weiterbehandelt wurden nur diejenigen Patienten, die nach 12 Wochen eine PASI-Verbesserung > 50% erreicht hatten. Bezieht man sich nur auf die noch in der Studie befindlichen Patienten nach Abzug der Ausfälle, dann weisen maximal 78% der unter Behandlung befindlichen Patienten einen PASI75 auf.

 

Abbildung 1: Therapie mit Efalizumab 1.0 mg/kg Körpergewicht 1 x wöchentlich s.c.

 

Woche 0
 

Woche 12
(nach 12 Spritzen)
 

 

TNF-Inhibitoren

Etanercept (Enbrel®) ist ein Fusionsprotein aus der extrazellulären Domäne des humanen p75-TNF-alpha-Rezeptors und der konstanten Region eines humanen IgG1-Antikörpers. Es bindet kompetitiv lösliches, biologisch aktives TNF-apha und verhindert damit die Interaktion zwischen TNF-alpha und seinen natürlichen löslichen oder membranständigen TNF-alpha-Rezeptoren.

 

Aktuell liegen mit einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie unter Einschluss von 652 Patienten mit chronischer Plaque-Psoriasis substanzielle Daten zur Wirksamkeit von Etanercept vor. Der Anteil Patienten, der nach 12 Wochen einen PASI75 erreicht hatte, betrug 34% in der Dosierung von 2-mal 25 mg/Woche (s.c. injiziert) und 49% für die Dosierung von 2-mal 50 mg/Woche (Placebo: 4%). Nach weiteren 12 Wochen Behandlung stiegen die korrespondierenden PASI75-Responder auf 44% bzw. 59%.

 

Infliximab (Remicade®) ist ein chimärer monoklonaler Antikörper, der an freies und an membrangebundenes TNF-alpha bindet. Damit werden TNF-alpha-vermittelte Reaktionen nahezu vollständig gehemmt.

Infliximab wird als intravenöse Kurzinfusion in einer Dosis von 5 mg/kg Körpergewicht über mindestens 2 Stunden verabreicht. Für die Remissionsinduktion erfolgen die Infusionen zu Beginn der Therapie, nach 2 Wochen und nach 6 Wochen, für die Langzeittherapie wird Infliximab danach alle 8 Wochen infundiert. In einer Studie mit 249 Patienten erreichten 88%, der mit einer Dosierung von 5 mg/kg durchgeführten Induktionstherapie behandelten Patienten, nach 10 Wochen einen PASI75 (Placebo:6%). Unter Infliximab wird auch eine signifikante Besserung einer Nagelpsoriasis festgestellt. In mehreren Kasuistiken wird auch über eine schnelle und effektive Wirkung von Infliximab bei pustulösen Formen der Psoriasis berichtet.

 

Zusammenfassung

Die Biologika stellen einen erheblichen Fortschritt in der Psoriasistherapie dar. Erstmals stehen mit ihnen Medikamente zur Verfügung, welche gezielt und mit hoher Spezifität in die Entzündungskaskade der Psoriasis eingreifen. Alle wurden in grossen multizentrischen Studien auf hohem Evidenzniveau getestet. Und dennoch: Die Biologika werden noch kritisch betrachtet. Zum einen wegen der hohen Therapiekosten (rund 20’000-34’000 CHF/Jahr), zum anderen weil das Verhältnis von Nutzen und Risiko, z.B. Entwicklung von Neoplasien, bei einer langfristigen Behandlung noch nicht eindeutig klar ist, und Langzeitdaten diesbezüglich noch benötigt werden. Aber auch die mangelnde klinische Erfahrung mit diesen neuen Medikamenten erzeugt Unsicherheiten. Die Erfahrung wird aber mit den Verordnungen kommen. Bei richtiger Indikationsstellung, regelrechtem Monitoring und Beobachtung möglicher unerwünschter Wirkungen (Injektions- und Infusionsreaktionen, Zytopenien, Infektionen, Tbc-Reaktivierung) haben die Biologika ein akzeptables Sicherheitsprofil und stellen eine der wichtigsten therapeutischen Fortschritte in der Behandlung der Psoriasis in den letzten Jahren dar.

 

Prof. Dr. med. Ralph M. Trüeb , Leitender Arzt, Dermatologische Klinik und Psoriasis-Sprechstunde, UniversitätsSpital Zürich

 

Referenzen:
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