Editorial
Wünschenswert – machbar – bezahlbar
Kein Teilgebiet der Inneren Medizin hat in den letzten Jahren so rasante Fortschritte zu verzeichnen, wie die Onkologie. Neben den klassischen Säulen der Therapie wie Chirurgie, Strahlentherapie und Chemotherapie haben neue Ansätze der Krankheitsbekämpfung Einzug gehalten wie die Immuntherapie, die Gentherapie und spezielle Ansätze zur Krebszellbekämpfung durch niedermolekulare Substanzen («small molecules»), die den programmierten Krebszelltod einleiten durch Interaktion mit Signaltransduktionswegen, die für die Krebszelle überlebenswichtig sind.
In diesem Heft stellen wir Ihnen aktuelle Behandlungskonzepte aus verschiedenen Bereichen der klinischen Onkologie vor, die sich aus neuen Entwicklungen ergeben. Sie werden lesen über die gegenwärtigen Standards in der Diagnostik und Therapie der chronisch-myeloischen Leukämie (CML), speziell unter Einsatz des neuen Tyrosinkinasehemmers Imatinib, ein Prototyp der Signaltransduktionsinhibitoren. Zwei Beiträge zur Therapie der follikulären und der «aggressiven» Non-Hodgkin-Lymphome werden die Integration monoklonaler Antikörper in bestehende Therapiekonzepte erläutern.
Beim Mesotheliom haben sich multimodale Therapieansätze bewährt, über die wir Sie informieren möchten und schliesslich werden wir Ihnen eine Zusammenfassung der jüngsten Therapieempfehlungen zur adjuvanten Therapie des Mammakarzinoms präsentieren. Der aktuelle Stand zur genetischen Beratung bei Krebserkrankungen und Krebsrisikokonstellationen wird in einem Übersichtsartikel zusammengefasst. Abschliessend möchten wir Sie noch über neuere Entwicklungen zur Immunologie von Krebserkrankungen und speziell zur Tumorvakzinierung informieren.
Wir hoffen, Sie vom eminenten Nutzen dieser neuen Therapiemöglichkeiten und Therapiestrategien überzeugen zu können. Die Kosten dieser neuen Behandlungsmöglichkeiten und die weiteren Implikationen dürfen dabei nicht übersehen werden. Das Schweizer Bundesgesetz über die Krankenversicherungen regelt bekanntermassen den Rahmen der Kostenübernahme nach den Grundsätzen, dass Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen und eingehalten sein müssen.
Vordergründig mag erschrecken, wenn die kalkulierten Medikamentkosten z.B. zur Behandlung eines metastasierten Kolonkarzinoms in ca. 15 Jahren um den Faktor 500 gestiegen sind. Das bezieht sich ausschliesslich auf die Medikamentkosten und so könnte der Eindruck oder gar ein Vorurteil entstehen, die forschende Pharmaindustrie profitiere überproportional durch Neueinführungen.
Bei genauerer Betrachtung der Behandlungskosten darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass der Medikamentpreis nur einen Teil der Behandlungskosten ausmacht. Z.B. können auch sehr teure oral verabreichte Medikamente wesentlich kostendämpfend wirken, wenn dadurch Spitalaufenthalte eingespart werden, ebenso wie wiederholte Arztbesuche für intravenöse Verabreichungen inklusive deren potentielle Komplikationen. Wenn sich gleichzeitig eine bessere Wirksamkeit abzeichnet mit länger anhaltenden Remissionen ist das auch ein Beitrag zur Kostendämpfung. Ein vordergründig teuer erscheinendes Medikament muss also nicht zwangsläufig auch die Gesamtbehandlungskosten heben, sondern kann sogar zur Kostendämpfung beitragen.
Die Onkologie ist ein Fachgebiet in ständiger Weiterentwicklung, das von der klinischen Forschung und der Grundlagenforschung abhängig ist. Wir wollen etablierte Therapiestandards anbieten und gleichzeitig von jedem individuellen Patienten lernen. Das ist am sichersten innerhalb klinischer Studien zu erreichen. Onkologie ist eben immer auch eine «experimentelle» Medizin.
Es ist erfreulich, festzuhalten, dass sich in der Schweiz die Bereitschaft und das Verständnis, an klinischen Studien teilzunehmen, schneller durchgesetzt hat als im europäischen Vergleich. So können Neuentwicklungen unseren Patientinnen und Patienten früher verfügbar gemacht werden. Mit der Nutzung eines qualitätsgeprüften Studienangebotes haben unsere Patientinnen und Patienten frühzeitiger am medizinisch-onkologischen Fortschritt teil.
Lesen Sie auf den folgenden Seiten, dass der Fortschritt in der Onkologie greifbar ist und sich lohnt. Die Patientinnen und Patienten werden es uns danken.
Weitere Auskünfte erhalten Sie über das Sekretariat Onkologie (Tel.: 01/255 21 54) oder via Internet: www.dim.unizh.ch/onkolog/
Prof. Dr. med. Alexander Knuth, Klinik und Poliklinik für Onkologie, Universitätsspital Zürich
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19.01.2006 - ssc |
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