Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) und nicht-alkoholische Fettleber
Das Spektrum der nicht-alkoholischen Fettleberkrankheit (Non-Alcoholic Fatty Liver Disease = NAFLD) reicht von der einfachen Lebersteatose über die Steatohepatitis bis zur Zirrhose und zum hepatozellulären Karzinom. Dieselben Stadien finden sich auch bei der alkoholischen Fettleberkrankheit, und in der Tat sind die alkoholische und die nicht-alkoholische Fettleberkrankheit histologisch kaum zu unterscheiden. Die Diagnose einer NAFLD stützt sich also stark auf den anamnestischen Ausschluss eines übermässigen Alkoholgenusses. Eine allgemein akzeptierte Definition des kritischen Schwellenwertes des Alkoholkonsums ist noch nicht definiert. Verschiedene Experten nennen eine Konsumgrenze zwischen 10 und 40 g reinen Alkohol pro Tag (1-4 dL Wein/d). Unbestritten ist inzwischen, dass es Patienten mit einer Fettleberkrankheit gibt, die sicher keinen Alkohol konsumieren. Unsicher und umstritten sind hingegen Angaben über die Häufigkeit der NAFLD, unter anderem auch wegen der Unsicherheit bei der Definition der tolerierten Alkoholkonsummenge und wegen den bekannten Ungenauigkeiten bei der anamnestischen Bestimmung des Alkoholkonsums. Während einige Autoren von einer seltenen Krankheit sprechen, schätzen andere (vor allem amerikanische Autoren), dass die NAFLD die häufigste Leberkrankheit in den USA und in Europa ist.
Diagnose
Die Diagnose einer NAFLD stützt sich auf den Ausschluss von anderen bekannten Leberkrankheiten (Virushepatitis, Alkoholische Leberkrankheit, medikamentös-toxische Hepatopathie, Morbus Wilson, Hämochromatose) und den Nachweis einer Fettleber. Letzterer kann mit bildgebenden Verfahren wie Ultraschall, CT oder MRI erbracht werden. Ultraschall hat eine Sensitivität und Spezifität zwischen 70% und 80%. Kalibrierte CT oder MRI sind deutlich sensitiver und spezifischer, aber auch teurer. Die Leberbiopsie kann nicht nur die Steatose mit hoher Genauigkeit nachweisen, sondern sie erlaubt auch als einziges diagnostisches Verfahren die Diagnose einer nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH). Da die NASH eine schlechtere Prognose hat als die reine Fettleber ist diese Unterscheidung wichtig. Typischerweise haben Patienten mit einer NAFLD/NASH erhöhte Transaminasen und/oder gamma Glutamyltranspeptidase (GGT), eine hyperechogene Leber im Ultraschall, und haben einen oder mehrere Risikofaktoren wie Adipositas (vor allem zentrale Adipositas, also hohe Bauchumfangwerte), Diabetes mellitus Typ II, Insulinresistenz oder Dyslipidämie.
Prävalenz und klinische Bedeutung
Über die Häufigkeit von NAFLD und NASH liegen keine sicheren Angaben vor, und auch der natürliche Verlauf dieser Krankheit ist noch ungenügend erforscht. Die publizierten Angaben zur Prävalenz in USA, Europa, und Japan sind erschreckend hoch, und reichen von 10% bis zu 25% aller Erwachsenen. NAFLD ist also bei weitem die häufigste Leberkrankheit. Zudem muss erwartet werden, dass die gegenwärtige Epidemie der Adipositas in USA und Europa zu einer weiteren Zunahme der Prävalenz der NAFLD führen wird. Die klinische Bedeutung dieser Krankheit ist aber umstritten. Sicher gibt es progrediente Verläufe mit der Entwicklung einer Zirrhose, dem Auftreten einer portalen Hypertension und sogar eines hepatozelullären Karzinoms. Etwa 1-2% der Lebertransplantierten haben die Diagnose einer NAFLD. Wie häufig aber eine NAFLD einen agressiven progredienten Verlauf nimmt, ist nicht bekannt. Die vorhandenen Daten sprechen dafür, dass eine reine Fettleber eine gute Prognose hat, während eine histologisch dokumentierte Steatohepatitis (also eine NASH) in etwa 15% der Patienten innert 5 Jahren zu einer Zirrhose führt. Diese Angaben sind aber unsicher, und es werden dringend longitudinale Verlaufsstudien mit wiederholten Leberbiopsien benötigt, um den natürlichen Verlauf der NAFLD besser zu erfassen.
Pathophysiologie
Die Entwicklung von Lebersteatose, Steatohepatitis, progredienter Leberfibrose bis zur Zirrhose sind wahrscheinlich das Resultat von multiplen metabolischen Störungen und einer nicht genauer definierten genetischen Prädisposition. Die Insulinresistenz ist wahrscheinlich ein zentraler Faktor bei der Entstehung der NAFLD (primary hit). Sie wird in den meisten Patienten mit einer NAFLD beobachtet. Noch nicht klar ist allerdings, ob die Insulinresistenz die Ursache oder die Folge einer NAFLD ist. Der Übergang von der reinen Fettleber zur Steatohepatitis wird durch sogenannte second hits verursacht, zu denen wahrscheinlich der oxidative Stress, Zytokine (z.B. TNF-alpha) und freie Fettsäuren gehören. In letzter Zeit rückt vermehrt die Rolle von Adiponectin in den Vordergrund. Dieses Hormon wird im Fettgewebe synthetisiert und erhöht die Insulinsensitivität, ist also ein Schutzfaktor gegen das metabolische Syndrom und NAFLD. Die Adiponectin-Plasmakonzentration ist invers korreliert mit dem BMI, und positiv korreliert mit der Insulinsensitivität. Adiponectin supprimiert die hepatische Glukoseproduktion und verbessert die Hyperlipidämie.
Behandlung
Es gibt gegenwärtig keine erwiesenermassen wirksame Behandlung der NAFLD, und es ist auch nicht klar, welche Patienten mit NAFLD behandelt werden sollen. Nur ein besseres Verständnis des natürlichen Verlaufes wird eine rationale Selektion der Patienten für eine Behandlung erlauben. Gegenwärtig kann man davon ausgehen, dass vor allem Patienten mit einer NASH von einer Behandlung profitieren könnten, weil sie das grösste Risiko eines progredienten Verlaufes hin zur Zirrhose haben. Es ist allgemein akzeptiert, dass eine Änderung des Lebensstiles die beste Behandlung der NAFLD und der NASH ist. Diese „lifestyle modification“ sieht gleich aus wie bei der Behandlung/Prävention des Diabetes mellitus Typ 2 oder des metabolischen Syndroms. Durch eine gewichtsreduzierende Diät, Verzicht auf Alkohol auch in sogenannt normalen Mengen und durch vermehrte körperliche Aktivität soll der Stoffwechsel günstig beeinflusst werden. Das Problem mit dieser Therapie ist die bekanntermassen geringe Compliance. Pharmakologische Interventionen zielen auf eine Verbesserung der Insulinresistenz (primary hit) oder auf eine Behandlung des oxidativen Stresses (second hit) ab. Metformin oder Zweitgenerations-Thiazolidinedione verbessern die Insulinsensitivität, aber gewichtige Nebenwirkungen (Hepatotoxizität des Metformin, Gewichtszunahme bei Thiazolidinedione) veranlassen zu beträchtlichen Zweifeln, ob diese Medikamente eingesetzt werden sollen. Hier braucht es sicher noch mehr klinische Studien, bevor diese Medikamente in der Praxis eingesetzt werden können. Die Behandlung des oxidativen Stresses durch Antioxidantien hat leider bisher nicht den erhofften Erfolg gezeigt. Auch hier sind weitere Studien angesagt.
Perspektiven
Die NAFLD wird uns voraussichtlich in Zukunft vermehrt beschäftigen. Die Inzidenz ist auch bei uns in der Schweiz steigend. Die Situation für den Kliniker ist unbefriedigend. Gegenwärtig gibt es keine klaren Screening- und Abklärungsstrategien, der natürliche Verlauf der Krankheit ist ungenügend bekannt, und erwiesenermassen wirksame und von den Patienten akzeptierte Therapien gibt es nicht. Vordringlich ist deshalb eine Intensivierung der Forschungsaktivität auf diesem Gebiet. In der klinischen Praxis sollen Patienten mit NAFLD/NASH zu „lifestyle modifications“ motiviert werden. Sie sollten regelmässig nachkontrolliert werden, und wenn möglich in Kohorten- oder Therapiestudien eingeschlossen werden. Die Schweizerische Assoziation für das Studium der Leber (SASL) koordiniert solche Studien (Information unter: www.sasl.ch).
Prof. Dr. med. Markus Heim, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel.
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14.11.2005 - ssc |
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