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Neues zur Schizophreniebehandlung

Früherkennung psychotischer Störungen

In den letzten Jahren konzentrierten sich zahlreiche Forschungsbemühungen auf den Bereich der sekundären Prophylaxe, d. h. auf die Früherkennung und -behandlung psychotischer Störungen. Hierbei zeigte sich, dass mit einer spezialisierten, gemeindenahen Angebotsstruktur bei bereits erkrankten Personen die Dauer der unbehandelten Psychose (DUP) – eine, so wurde vermutet, für den weiteren Verlauf der Störung entscheidende Grösse – gesenkt werden konnte. Die Bedeutung der DUP gründete auf der Annahme, bei einer Psychose handle es sich um ein Geschehen, das sich «toxisch» auf das ZNS auswirke.

 

Im Zusammenhang mit einer früher einsetzenden Diagnostik und Therapie konnte in mehreren Untersuchungen ein etwas günstigerer Frühverlauf psychotischer Störungen festgestellt werden. Allerdings blieben diese Befunde nicht unumstritten, ähnlich angelegte Studien fanden weder einen signifikanten Einfluss der DUP auf neuro-kognitive Parameter noch auf den klinischen Verlauf der Psychose während der ersten 24 Monate.

 

In Anbetracht dieser Befunde und der Tatsache, dass ausgeprägte neuro-kognitive Defizite bereits bei Ersterkrankten nachweisbar sind, befasst man sich seit Kurzem verstärkt mit den Prodromalstadien schizophrener Störungen. Hierbei geht es im Wesentlichen darum, mittels spezieller Abklärungsinstrumente zumeist sehr junge Menschen mit einem stark erhöhten Psychoserisiko zu identifizieren, zu beobachten und ggf. einer geeigneten Behandlung zuzuführen. In bisher zur Verfügung stehenden Untersuchungen entwickelten ca. 20% bis 50% der Personen dieser sog. «Ultra High-Risk»-Gruppe eine manifeste Psychose. Umgekehrt bedeutet dies allerdings auch, dass rund die Hälfte bis 80% der Studienpopulation fälschlicherweise als hoch psychosegefährdet eingestuft werden, was auf die eher geringe Spezifität der Symptome hinweist und gleichzeitig ethische Fragen aufwirft.

 

In zwei bisher veröffentlichten randomisierten, kontrollierten Interventionsstudien konnten im Vergleich zur jeweiligen Standardbehandlung sowohl für das Antipsychotikum Risperidon (Risperdal®, durchschnittliche Tagesdosis 1.3 mg/d) als auch für eine intensive kognitive Therapie günstige Effekte auf den Frühverlauf psychotischer Störungen (6 bzw. 12 Monate) gefunden werden. Darüber hinaus gibt es auch erste Hinweise für positive Wirkungen von sehr niedrig dosiertem Amisulprid (Solian®, atypisches Antipsychotikum) und modernen Antidepressiva (v.a. Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer). Ob sich die durch eine Frühintervention erzielten Verbesserungen auch positiv auf den Langzeitverlauf auswirken, ist derzeit nicht bekannt.

 

In Anbetracht des oftmals ungünstigen, invalidisierenden Verlaufs schizophrener Erkrankungen und der bis heute fehlenden Primärprophylaxe verdienen die erwähnten Befunde Beachtung. In der Schweiz befasst sich das Swiss Early Psychosis Project (SWEPP) seit August 1999 mit der Früherkennung und -behandlung psychotischer Störungen. Auf der neu gestalteten Homepage www.swepp.ch finden sich u. a. eine Checkliste charakteristischer Frühsymptome sowie unter der Rubrik «Experten» eine Auflistung möglicher Anlaufstellen für weitere Abklärungen.

 

Aripiprazol (Abilify®) in der Schizophreniebehandlung

Seit 2004 ist in der Schweiz Abilify® neu zur Behandlung schizophrener Störungen zugelassen. Neben den klassischen Substanzen (z.B. Haldol®) und den sog. „atypischen“ Antipsychotika der zweiten Generation (z.B. Leponex®, Seroquel®) wird Abilify® bisweilen als Vertreter einer neuen Generation, den sog. Stabilisatoren des Dopaminsystems, bezeichnet. Hintergrund dieser Nomenklatur ist die Eigenschaft von Abilify®, zentrale Dopamin (D2)-Rezeptoren nicht nur zu blockieren, sondern auch zu aktivieren (partieller Agonismus). In den bisher zugänglichen kontrollierten Studien zeigte Abilify® in der Kurz- und Langzeitanwendung die gleiche globale Wirksamkeit wie die jeweilige Kontrollsubstanz (klassische und atypische Antipsychotika). Eine wegen der D2-Aktivierung theoretisch zu erwartende Überlegenheit bei der Beeinflussung schizophrener Negativsymptome (Affektverflachung, Interesselosigkeit, Adynamie u.a.) konnte bisher nicht nachgewiesen werden. In der Regel genügen Tagesdosen von 10-15 mg, höhere Dosen (bis 30 mg/d) haben sich in den veröffentlichten Untersuchungen nicht als wirksamer erwiesen (können in Einzelfällen aber notwendig sein). Entgegen den Angaben der Herstellerfirma empfiehlt sich eine einschleichende Dosierung, um Agitiertheit und Nausea – die Substanz verfügt über serotonerge Eigenschaften – zu reduzieren. Insgesamt verfügt Abilify® über ein günstiges Nebenwirkungsprofil, häufiger auftretende unerwünschte Effekte sind Gewichtszunahme, Agitiertheit, Akathisie und Insomnie. Abilify® hat eine sehr lange Halbwertszeit, die Metabolisierung erfolgt über die Isoenzyme 2D6 und 3A4 (für detaillierte Informationen siehe Arzneimittelkompendium der Schweiz).

 

Clozapin (Leponex®) bei Suizidalität

Schizophrene Patienten haben eine gegenüber der Allgemeinbevölkerung stark erhöhte Suizidrate. Das Lebenszeitrisiko einer Selbsttötung liegt gemäss einer soeben publizierten Metaanalyse bei ca. 5%, das höchste Risiko besteht zu Beginn der Erkrankung und im weiteren Verlauf – im Sinne von Peaks – jeweils unmittelbar nach einem Spitaleintritt oder –austritt. Bereits in den 90er Jahren konnte gezeigt werden, dass Clozapin (Leponex®) im Vergleich mit klassischen Antipsychotika die Suizidalität bei therapieresistenten Patienten mit einer schizophrenen oder schizoaffektiven Psychose markant zu senken vermochte. Die überlegene Wirksamkeit von Leponex® bei der Behandlung von Suizidalität bestätigte sich auch in der unlängst veröffentlichten InterSePT-Studie (International Suicide Prevention Trial), welche suizidale Verhaltensweisen bei knapp 980 hoch gefährdeten schizophrenen und schizoaffektiven Patienten prospektiv untersuchte. Gestützt auf die Resultate dieser Untersuchung wurde im Jahr 2004 in der Schweiz die Indikationsstellung für Leponex® erweitert: die Substanz ist neu auch zur Verringerung suizidalen Verhaltens bei schizophren oder schizoaffektiv Erkrankten zugelassen – unabhängig vom allfälligen Vorliegen einer Therapieresistenz (für detaillierte Informationen siehe Arzneimittelkompendium der Schweiz).

 

Cannabis und Psychose

Zwischen dem Auftreten schizophrene Psychosen und dem Konsum von Cannabis besteht eine komplexe Beziehung. Cannabis kann kurzdauernde psychotische Episoden auslösen und ist zudem assoziiert mit einem ungünstigeren Verlauf schizophrener Erkrankungen. Die Frage, ob ein Cannabiskonsum eine psychotische Störung nicht nur triggern, sondern im eigentlichen Sinn verursachen kann, ist bis heute noch nicht definitiv geklärt. Allerdings mehren sich die Hinweise, die einen kausalen Zusammenhang nahe legen. Eine soeben im BMJ veröffentlichte prospektive Kohortenstudie fand bei 2437 Jugendlichen (Alter 14 - 24 Jahre) während einer 4-jährigen Beobachtungszeit eine moderate Cannabis-induzierte Erhöhung der Inzidenz psychotischer Symptome (Odds Ratio 1.67; Cannabiskonsum Ž 5x). In einer Untergruppe von Jugendlichen, bei denen zu Beginn der Untersuchung ein erhöhtes Psychoserisiko festgestellt worden war, zeigte sich bei Cannabiskonsumenten im Vergleich mit den Abstinenten nahezu eine Verdoppelung der Manifestationsrate psychotischer Symptome. Im Weiteren bestand eine positive Korrelation zwischen der konsumierten Dosis bzw. Konsumfrequenz und dem Auftreten einer Psychose. In Anbetracht dieser Befunde geben Entwicklungen in der Schweiz Anlass zur Besorgnis: die Anzahl jugendlicher Cannabiskonsumenten wächst, die Konsumenten werden immer jünger, und der Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol) hat sich in den letzten Jahren vervielfacht, d.h. das konsumierte Cannabis ist sehr viel stärker geworden. Mit Blick auf die heutigen Erkenntnisse sollten speziell Jugendliche mit einer erhöhten Psychosegefährdung (familiäre Erkrankung bekannt, vorhandene Prodromalsymptome, vgl. auch oben) über die Gefahren eines auch sporadischen Cannabiskonsums aufgeklärt und mit Nachdruck zur Abstinenz motiviert werden.

 

 

Dr. med. René Bridler, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, Zürich.

 

Referenzen
Literatur beim Verfasser.

 

 
Medizin Spektrum
 
01.08.2005 - dde
 



 
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