Verdacht auf Brustkrebs – wie weiter?
Einführung
In der Schweiz wurde im Jahre 2001 gemäss dem statischen Jahrbuch bei 1333 Frauen ein Brustkrebs als Todesursache angegeben, bei Frauen im Alter zwischen 45 und 65 stand er als Todesursache an erster Stelle [1]. Der Verdacht auf Brustkrebs kann in verschiedenen Situationen auftreten. Häufig verlangt die Patientin eine Konsultation wegen Veränderungen in der Brust. Auch wenn nur 8-12% dieser Patientinnen schlussendlich wirklich Brustkrebs entwickeln, gilt es diese Beschwerden schnell und effektiv abzuklären [2]. Der Verdacht auf Brustkrebs oder eine seiner Vorstufen wird heute aber immer mehr auch bei der asymptomatischen Patientin anhand einer durchgeführten Mammographie oder Sonographie gestellt.
Diese Befunde sind häufig nicht palpabel und die weitere Abklärung erfolgt dem entsprechend mammographisch oder sonographisch gesteuert. Im Rahmen dieses Artikels sollen die verschiedenen klinischen, radiologischen und invasiven Untersuchungsmethoden vorgestellt werden.
Anamnese und klinische Untersuchung
Neben dem Kennenlernen der Patientin hilft die Anamneseerhebung mit, das Risiko einer Patientin an einem Brustkrebs zu erkranken, einzugrenzen. Geschlecht, Alter und die familiäre Belastung stellen die wichtigsten Risikofaktoren für eine Patientin dar. So ist bei einer Frau im Alter von unter 40 Jahren, die sich in der Sprechstunde mit einem Brusttumor vorstellt, das Risiko an einem Karzinom zu leiden nur 1%, bei einer Frau zwischen 41-55 Jahren 9% und bei einer Frau von > 50 Jahren 37% [3]. Weitere Risikofaktoren sind aus folgender Tabelle zu entnehmen [aus 4]:
In 30% der Brustkrebsfälle kann einer oder mehrere dieser Risikofaktoren nachgewiesen werden [4]. Das Fehlen eines Risikofaktors kann zu einer falschen Sicherheit verleiten. Die weitere Abklärung beim Vorliegenden von Brustbefunden sollte beim Fehlen von Risikofaktoren keinesfalls ausbleiben.
Die klinische Untersuchung beginnt mit der Inspektion. Als verdächtig gelten Veränderungen der Haut wie Einziehungen, peau d’orange, Mamillenveränderungen (Einziehung, Ekzem), Vorwölbungen, Brustasymmetrie und Hautrötungen. Besteht ein Mamillenekzem kann über eine Woche eine lokale Therapie versucht werden, kommt es darunter nicht zur deutlichen Besserung ist eine Hautbiopsie notwendig, um einen Morbus Paget mit Infiltration von Tumorzellen in die Haut, auszuschliessen [5].
Auch beim Vorliegen einer geröteten Brust, bei welcher primär der Verdacht auf eine Mastitis besteht, kann probatorisch eine Antibiotikatherapie eingeleitet werden, wobei bei fehlendem Ansprechen innert wenigen Tagen ebenfalls die Hautbiopsie zum Ausschluss eines inflammatorischen Mammakarzinoms nötig ist.
Bei der palpatorischen Untersuchung wird die Konsistenz der Brust beurteilt und mit der Gegenseite verglichen. Bei Patientinnen mit negativer Mammographie konnten immerhin bei 4.6-5.7% rein durch die klinische Untersuchung ein Karzinom entdeckt werden [6]. Die Spezifität der klinischen Palpation liegt bei über 90%, die Sensitivität zwischen 65 und 86% [7]. Kann ein Befund ertastet werden, wird seine Verschieblichkeit gegenüber der Haut und dem Pektoralismuskel geprüft sowie seine Grösse und seine Abgrenzbarkeit festgestellt [8]. Die Untersuchung wird bei der sitzenden und liegenden Patientin durchgeführt.
Während der Palpation wird auch versucht, durch Druck auf den Warzenhof eine Mamillensekretion, sogenannten Presssaft, zu provozieren. Das Sekret kann milchig, serös, blutig oder purulent sein. Suspekt auf das Vorliegen einer bösartigen Veränderung ist die einseitige, blutige Sekretion aus einem Milchgang. Kann Sekret abgepresst werden sollte eine Abklatschzytologie erfolgen, deren Sensitivität jedoch nicht sehr hoch ist, das heisst bei negativem Befund ist die Malignität nicht ausgeschlossen und es sollte in jedem Fall eine weitere bildgebende Abklärung erfolgen [9].
Zum Abschluss der klinischen Untersuchung werden die Lymphknotenstationen palpiert. Zur Beurteilung der axillären Lymphknoten wird der ipsilaterale Arm der Patientin locker abduziert um den Pektoralismuskel möglichst zu entspannen. Auch die supraklavikulären Lymphknoten gehören zu den lokoregionären Lymphknoten der Brust [10].
Für den operierenden Facharzt ist es wichtig, die Patientin mit einem Brustbefund möglichst vor den weiteren Abklärungen untersuchen zu können, da jede weitere invasive Abklärungstechnik den Befund durch Entzündungsreaktionen und Hämatombildung an Grösse und Abgrenzbarkeit verändern kann. Ein palpabler Befund muss weiter abgeklärt werden.
Bildgebende Diagnostik
Bei Patientinnen unter 30 Jahren aber auch bei Schwangeren und stillenden Frauen kann als erstes bildgebendes Verfahren ein Brustultraschall durchgeführt werden. Dabei kann einfach unterschieden werden, ob es sich bei dem palpierten Befund um eine einfache Zyste oder um einen soliden Tumor handelt [11]. Liegt eine einfach Zyste vor kann die Patientin schnell beruhigt werden. Eine Punktion ist nur bei schmerzhaften oder kosmetisch störenden Zysten sowie auf Wunsch der Patientin nötig. Die zytologische Analyse des Befundes ist nur dann sinnvoll, wenn das Aspirat eindeutig blutig ist [12]. Anders ist die Situation bei sonographisch komplexer Zyste, welche durch eine Feinnadelpunktion oder eventuell bei hochgradigem Malignitätsverdacht mit einer Hochgeschwindigkeitsstanzbiopsie weiter abgeklärt werden sollte. Falls in der Sonographie bei einer Frau unter 30 Jahren eine solide Läsion zur Darstellung kommt, welche nicht eindeutig gutartig scheint, wird zusätzlich eine Mammographie empfohlen. Ultrasonographische Merkmale von suspekten Läsionen sind die unscharfe Begrenzung, der dorsale Schallschatten, die inhomogene Struktur und das Durchbrechen der Cooperschen Ligamente [13].
Bei Frauen über 30 Jahren wird als erste bildgebende Diagnostik die Mammographie eingesetzt [9]. Sie wird beidseits und in zwei Ebenen durchgeführt und hilft einerseits den Befund diagnostisch einzugrenzen aber auch weitere, klinisch okkulte Befunde aufzudecken. Die Radiologen teilen die mammographischen Befunde heute weitgehend nach der BI-RADS (Breast Imaging Reporting and Data System) ein (siehe Tabelle). Unregelmässig gruppierter Mikrokalk zum Beispiel erhöht den Karzinomverdacht. In einer prospektiven Studie mit Frauen, welche Symptome oder klinische Befunde verdächtig auf Brustkrebs hatten, wurden nur 6279 von 41 427 (15.2%) Mammographien schlussendlich als auffällig bezeichnet [14]. Die Sensitivität der Mammographie bei symptomatischen Patientinnen wird in dieser Studie mit 85.8%, die Spezifität mit 87.7% angegeben.
Durch eine an die Mammographie angeschlossene Ultraschalluntersuchung kann die Sensitivität und insbesondere die Spezifität deutlich verbessert werden. So konnte in einer Studie bei 2020 Patientinnen, wovon 470 einen tastbaren Brustbefund hatten, durch die nach der klinischen und mammographischen Untersuchung angeschlossene Sonographie acht weitere Malignome gefunden werden. Die Sensitivität, Spezifität, der positive prädiktive und negative prädiktive Wert war bei Kombination von klinischer Untersuchung, Mammographie und Sonographie bei 96.6, 94.8, 39.2, 99.9% [15]. In einer weiteren Untersuchung konnte die Krebsdetektionsrate durch zusätzliche Ultraschalluntersuchung bei 559 symptomatischen Patientinnen um 14% erhöht werden [16].
Die Qualität der sonographischen Untersuchung ist stark von der untersuchenden Person und der vorhandenen technischen Ausrüstung abhängig. Es besteht eine grosse Variabilität zwischen verschiedenen Untersuchenden und zwischen verschiedenen Untersuchungen des selben Untersuchers [17].
Die MRI-Untersuchung hat nur einen geringen Stellenwert in der Abklärung von palpablen Brustbefunden. Dies weil die Untersuchung mit einer hohen Rate an falsch positiven Befunden einher geht und die Möglichkeit der MRI gesteuerten Brustbiopsie sehr aufwendig und wenig verfügbar ist. In einer grossen Amerikanisch-Europäischen Multizenterstudie wurden 821 Patientinnen, bei denen auf Grund eines suspekten mammographischen oder ultrasonographischen Befund eine Biopsie geplant war, vorgängig eine MRI Untersuchung durchgeführt. Durch diese Untersuchung wurde bei 356 von 404 Patientinnen korrekt ein Karzinom diagnostiziert, entsprechend einer Sensitivität von 88.1%. Hingegen nur bei 281 von 417 Patientinnen wurde das Fehlen eines Karzinoms richtig diagnostiziert, was einer Spezifität von 67.7% entspricht [18]. Obwohl bei 12-18% der Patientinnen mit Brustkrebs okkulte weitere Karzinome in der ipsilateralen Brust mittels MRI gefunden werden, konnte bis jetzt nicht gezeigt werden, dass dies mit einer besseren lokalen Kontrolle geschweige denn mit einem besseren Gesamtüberleben einher geht [19,20,21].
Verschiedene Punktionsmethoden
Zur weiteren Abklärung stehen die Feinnadelpunktion (FNP) zur zytologischen Untersuchung der Befunde und verschiedene Biopsieverfahren wie die Hochgeschwindigkeitsstanzbiopsie oder die vacuumassistierte Biopsie zur histologischen Gewebeanalyse zur Verfügung. Das Ziel ist die Sicherung eines vermuteten Malignoms zur Planung der nötigen Therapie (z.B. neoadjuvante Chemotherapie, Sentinellymphknotentechnik) und die minimal-invasive Abklärung unklarerer Befunde. Die früher häufig durchgeführte chirurgische Befundexzision mit Schnellschnittuntersuchung tritt heute zunehmend in den Hintergrund, besonders bei Tumoren unter 3 cm, bei welchen im Falle von Malignität heute häufig die Sentinellymphknotentechnik zum axillären Lymphknoten-Staging zur Anwendung kommt.
Die Punktionseinstichstelle sollte nach Möglichkeit so gewählt werden, dass sie beim Vorliegen eines malignen Befundes mit exzidiert werden kann. Auch bei tastbaren Befunden ist die sonographische Kontrolle der richtigen Befundpunktion zu empfehlen. Falls der Befund nur radiologisch zur Darstellung kommt ist das Verfahren zur Steuerung zu bevorzugen, welches die Befunddarstellung und die Steuerung am sichersten gewährleistet.
Zytologie
Die Treffsicherheit der Feinnadelpunktion (FNP) ist sehr variabel und wird in der Literatur mit 53-100% angegeben [4]. Sie ist Abhängig vom Können des punktierenden Arztes und kann bei grosser Erfahrung eine Sensitivität von 98% und eine Spezifität von 97% erreichen [22]. Die Vorteile der FNP liegen in ihrer schnellen Durchführbarkeit, in der Regel ohne lokale Betäubung und dem im Vergleich zu anderen Verfahren günstigen Preis.
Die Nachteile sind allerdings, dass zytologisch nicht zwischen einem invasiv wachsenden und einem in situ bleibenden Karzinom unterschieden werden kann sowie die oben erwähnte Untersucherabhängigkeit. Wichtig ist deshalb, die vorliegenden Befunde zu korrelieren und bei suspekter Mammographie und Sonographie bei negativer FNP den Befund durch eine histologische Untersuchung weiter abzuklären. Die FNP kommt deshalb bei eher gutartigen Brustbefunden wie Fibroadenomen, Lymphknoten und Fettgewebsnekrosen zur Anwendung.
Histologie
Durch die grösseren Nadeln und die Gewinnung des Gewebes als Zylinder ist die Stanzbiopsie repräsentativer als die reine Zytologie. In einer Arbeit von Donegan mit 1784 Frauen aus fünf verschiedenen Studien werden keine falsch positiven aber doch 1.6-19% falsch negative Resultate beschrieben [23]. Auch hier kann durch die ultrasonographische Kontrolle der Biopsie die Sensitivität der Untersuchung erhöht werden [24]. Immer mehr Autoren empfehlen direkt die histologische Abklärung, insbesondere bei suspekten Befunden [4].
Es liegt auf der Hand, dass ein Befund der möglichst vollständig entfernt wird eine repräsentativere Diagnose erlaubt, als ein nur teilweise entfernter. Dies spielt insbesondere bei der Differenzierung zwischen einer atypisch duktalen Hyperplasie (ADH) und einer höhergradigen Läsion wie einem duktalen Carcinoma in situ oder einem invasiven Karzinom eine Rolle. Die Biopsiemethoden sind jedoch mit einer grösseren postinterventionellen Brustläsion, einem höheren Risiko einer Nachblutung und einer etwas grösseren Inzision verbunden. Sie werden in den meisten Fällen in lokaler Betäubung durchgeführt. Wenn das Ziel sein soll mit möglichst wenig Abklärungsschritten eine möglichst verlässliche Diagnose zu erhalten ist die Stanzbiopsie der FNP vorzuziehen, im Wissen, dass bei einem Teil der Patientinnen insbesondere bei erfahrenem Arzt eine FNP ausreichend und kostengünstiger ist.
Abklärung von nicht palpablen Befunden
Zur Verfügung stehen die stereotaktische, mammographisch gesteuerte Biopsie und die sonographisch gesteuerte Biopsie. Am einfachsten ist es, das bildgebende Verfahren zu wählen, in dem der Befunde am besten zur Darstellung kommt.
Bei der stereotaktischen Biopsie werden Mammographien in zwei Ebenen angefertigt und so die genaue Lokalisation des Befundes errechnet. In lokaler Anästhesie wird dann mit einer 11 oder 8 Gauge Nadel der Befund ausgedehnt biopsiert. Die Indikation für die mammographisch gesteuerte vacuumassistierte Biopsie besteht bei nicht palpablen, mammographisch entdeckten Läsionen mit oder ohne Verkalkung entsprechend der BI-RADS-Klassifikation 4 oder 5 [25]. Schwierig mit dieser Technik zu biopsieren sind Läsionen die zu nahe an der Haut oder an der Thoraxwand liegen, sowie Architekturstörungen, die in der Vergrösserungsaufnahme nur schlecht zur Geltung kommen.
Wichtig für das weiter Vorgehen ist das Wissen um die Gefahr der histologischen Unterschätzung im Rahmen der Brustbiopsien. Bei der Diagnose einer atypisch duktalen Hyperplasie (ADH) in der Biopsie wird in der definitiven Histologie in bis zu 25% ein DCIS oder invasives Karzinom diagnostiziert [26]. Bei den lobulären Neoplasien (LN = vormals atypisch lobuläre Hyperplasie und lobuläres Carcinoma in situ) liegt die Rate an histologischen Unterschätzungen bei etwa 19%.
Deshalb scheint bei der ADH die Indikation zur Nachresektion gegeben. Bei der lobulären Neoplasie wird die offene Biopsie dann empfohlen, wenn der biopsierte Befund nicht vollständig entfernt wurde, beim Vorkommen von zusätzlichen Risikoläsionen oder falls der radiologische Befund durch die Diagnose LN nicht genügend erklärt ist.
Rein ultrasonographisch nachweisbare Befunde können durch eine Hochgeschwindigkeitsstanzbiopsie oder mittels vacuumassistierter Biopsie weiter abgeklärt werden. Der Vorteil der vacuumassistierten Technik liegt in der grösseren Nadeln, in der Regel 11 oder 8 Gauge und somit repräsentativeren Befunden. In seltenen Fällen wird die Indikation für eine vakuumassistierte Biopsie auch bei sehr wahrscheinlich benignen Befunden gestellt, als minimal invasiver Eingriff in Lokalanästhesie, wobei hier der Biopsie ausnahmsweise eine therapeutische Rolle zukommt.
Schlussbemerkung
Für die Patientin mit einem Brustbefund ist es wichtig möglich schnell und durch wenig Abklärungsschritte zu einer Diagnose zu kommen. Durch moderne Biopsieverfahren können unnötige Operationen verhindert und beim nötig werden einer weiteren Therapie, diese optimal geplant werden. Bei der Abklärung von Brustbefunden ist es unumgänglich, die einzelnen Resultate miteinander zu korrelieren und im Zweifellsfall den Befund zur histologischen Untersuchung zu exzidieren.
Dr. med. Stephanie von Orelli, Leitende Ärztin, Klinik für Gynäkologie, UniversitätsSpital Zürich
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06.06.2005 - dde |
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