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Adjuvante Therapie beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom

Am Bronchialkarzinom starben im Jahr 2001 weltweit über 1 Million Menschen. In der Schweiz sind es pro Jahr zirka 3’200 Patienten, welche an einem Lungenkrebs erkranken. In den westlichen Ländern beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate selbst bei lokalisierten, operablen Stadien weniger als 50%. Damit nimmt der Lungenkrebs in der Statistik der durch Krebs verursachten Todesfälle eine Spitzenposition ein. Krebsbedingte Todesfälle können somit auch durch kleine Fortschritte in der Behandlung beträchtlich gesenkt werden.

 

Bei Patienten mit fortgeschrittener Tumorerkrankung (inoperables Stadium III und Stadium IV) haben mehrere Metaanalysen die Verlängerung des Überlebens durch eine platinbasierte Chemotherapie aufzeigen können. Anders sieht es bei Patienten mit lokalisierten Stadien aus. Die Standardtherapie in dieser Situation ist die Operation. Während beim Kolon- und beim Mammakarzinom die adjuvante Chemotherapie (d.h. nach vollständiger Tumorresektion) je nach Tumorstadium seit längerem etabliert ist, hat sich ein solches Vorgehen beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom in der Vergangenheit aus verschiedenen Gründen nicht durchgesetzt. Einerseits galt das nichtkleinzellige Bronchuskarzinom historisch als «chemotherapieresistent». Gewisse ältere Chemotherapeutika zeigten tiefe Ansprechraten, und ältere Studien zeigten sogar negative Effekte einer Chemotherapie (z.B. mit Alkylanzien) auf die Überlebenszeit. Anderseits weisen Lungenkrebspatienten oft multiple Komorbiditäten auf, so dass negative Effekte einer Therapie überwiegen können; erst recht nach grösseren operativen Eingriffen wie Lobektomien oder Pneumonektomien.

 

Ein wichtiges Rational für den Einbezug einer Chemotherapie in die Behandlungsstrategie des lokalisierten nicht kleinzelligen Bronchuskarzinoms, stellt die Tatsache dar, dass der grösste Teil der Rückfälle durch das Auftreten von Fernmetastasen bedingt ist.

 

Eine 1995 publizierte Metaanalyse [1] zeigte erstmals einen möglichen Vorteil einer adjuvanten platinhaltigen Chemotherapie gegenüber reiner Beobachtung (best supportive care). Der Überlebensvorteil fiel jedoch statistisch knapp nicht signifikant aus. Die Schlussfolgerung war, dass die in dieser Metaanalyse zusammengefassten 8 randomisierten Studien mit insgesamt knapp 1’400 Patienten zu klein waren, um einen beispielsweise beim Mammakarzinom nachgewiesenen Vorteil von zirka 5% im Gesamtüberleben aufzeigen zu können.

 

Die Erkenntnisse dieser Metaanalyse waren jedoch ab der zweiten Hälfte der 90er Jahren der Beginn einer Serie von grösser angelegten randomisierten Studien. Die Ergebnisse von vier wichtigen Studien, welche den Stellenwert der adjuvanten Chemotherapie beim nicht kleinzelligen Bronchuskarzinom untersuchten, liegen uns nun seit den letzten zwei Jahren vor (siehe Tabelle) und werden im Folgenden kurz erläutert.

 

Die IALT-Studie

Die grösste bisher durchgeführte adjuvante Studie, die IALT-Studie [2] randomisierte knapp 1900 Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchuskarzinom Stadium I bis III nach vollständiger Resektion in eine Behandlungsgruppe und einen Beobachtungsarm. Die Therapiegruppe erhielt 3-4 Zyklen einer adjuvanten platinhaltigen Kombinationschemotherapie und zwar Cisplatin oder Carboplatin in Kombination mit Etoposid, Vinblastin, Vindesin oder Vinorelbin. Das 5-Jahres-Überleben war mit 44.5% vs. 40.4% (absoluter Gewinn von 4.1%, relative Risikoreduktion von 14%) signifikant besser für den Chemotherapiearm.

 

Die CALGB-Studie

Die kleinere, bisher nur als Abstract publizierte CALGB-Studie [3] zeigte bei 344 Patienten mit Tumorgrössen von < 3 cm (Stadium IB) ein ebenfalls positives Resultat: Das 4-Jahres-Überleben war nach 4 Zyklen einer Chemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel mit 59% vs. 71% zugunsten der adjuvant behandelten Gruppe ebenfalls signifikant besser.

 

Die NCIC-Studie

Die dritte, ebenfalls nur als Abstract publizierte
Studie vom NCIC [4] wurde bei Patienten mit einem ähnlichem Tumorstadium (IB und II) jedoch mit einer insgesamt grösseren Patientenzahl durchgeführt. Rund 480 Patienten erhielten postoperativ 4 Zyklen einer Chemotherapie mit Cisplatin und Vinorelbin oder keine Chemotherapie. Das 5-Jahres-Überleben war im Chemotherapiearm mit 69% verglichen mit 54% erneut signifikant besser. Die Resultate dieser drei Studien zeigen eindeutig, dass mit einer modernen platinhaltigen adjuvanten Chemotherapie ein Überlebensvorteil erreicht werden kann.

 

Die ALPI-Studie

Andere randomisierte Studien aus den letzten Jahren, welche derselben Fragestellung nachgegangen sind, konnten keinen zusätzlichen Benefit einer adjuvanten Chemotherapie bezüglich Gesamtüberleben nachweisen. Die Resultate der grössten negativen Studie, der italienischen ALPI-Studie [5], welche insgesamt 1’088 Patienten auswertete, wurden vor allem aus folgenden Gründen kritisiert: Der Anteil von Patienten, die eine Radiotherapie erhielten, war ungleich auf die beiden Arme verteilt. Die Radiotherapie hat in einer entsprechenden Metaanalyse zum Teil deutlich negative Effekte gezeigt. Nur 56% der geplanten Chemotherapien wurde verabreicht, womit eine schlechte Compliance vorlag. Zudem wurde ein toxisches und heute nicht mehr gebräuchliches Chemotherapieregime (Dreierkombination mit Mitomycin C, Vindesin und Cisplatin) verwendet. Sowohl die Zeit bis zur Tumorprogression als auch das Gesamtüberleben waren nicht signifikant verschieden. Es gab zwar weniger Rückfälle im Chemotherapiearm, jedoch mehr nicht krebsbedingte Todesfälle.

 

 

Die bisherige Evidenz legt also nahe, dass eine postoperative moderne platinbasierte Chemotherapie Tumorrückfälle verhindert und das Gesamtüberleben erhöht. Toxische Effekte einer Chemotherapie würden sicherlich den Benefit negativ beeinflussen, so dass es nicht überraschend ist, dass frühere Studien negativ ausfielen.

 

Bei der Interpretation dieser Studienergebnisse und bei deren Übertragung in den klinischen Alltag gilt es zur beachten, dass es sich bei den Studienpatienten um ein selektioniertes jüngeres Patientengut in gutem Allgemeinzustand handelte. Das durchschnittliche Alter eines Patienten mit Bronchuskarzinom beträgt jedoch 70 Jahre. Zudem liegen meist beträchtliche Begleiterkrankungen vor, so dass der Entscheid der Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie unbedingt individuell gefällt werden muss.

 

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann ausgewählten Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchuskarzinom im Stadium IB-IIIA eine adjuvante Chemotherapie mit 3-4 Zyklen einer platinhaltigen Kombinationschemotherapie empfohlen werden. Hierbei müssen vor allem die Komorbiditäten und der postoperative Performance-Status sowie potentielle Nebenwirkungen der Chemotherapie individuell berücksichtigt werden.

 

 

Dr. med. Martin Früh, Fachbereich Onkologie/Hämatologie, Kantonsspital St. Gallen.

 

 

Referenzen
1. Non-small Cell Lung Cancer Collaborative Group. Chemotherapy in non-small cell lung cancer: a meta-analysis using updated data on individual patients from 52 randomised clinical trials. BMJ 1995;311(7010):899-909.
2.  Arriagada R, Bergman B, Dunant A et al. Cisplatin-based adjuvant chemotherapy in patients with completely resected non-small-sell lung cancer. N Engl J Med 2004;350:351-60.
3. Winton TL, Livingston R, Johnson D et al. A prospective randomised trial of adjuvant vinorelbine (VIN) and cisplatin (CIS) in completely resected stage 1B and II non small cell lung cancer (NSCLC) Intergroup JBR.10. ASCO Meeting Abstracts Jul 15 2004:7018.
4. Strauss G M, Herndon J, Maddaus M A et al. Randomised clinical trial of adjuvant chemotherapy with paclitaxel and carboplatin following resection in Stage IB non-small cell lung cancer (NSCLC): Report of Cancer and Leucemia Group B (CALGB) Protocol 9633. ASCO Meeting Abstracts Jul 15 2004:7019.
5. Scagliotti GV, Fossati R, Torri V et al. Treatment of Cancer-Lung Cancer Cooperative Group Investigators. Randomized study of adjuvant chemotherapy for completely resected stage I, II, or IIIA non-small-cell Lung cancer. J Natl Cancer Inst 2003;95(19):1453-61.

 
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04.04.2005 - dde
 



 
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