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Akute Koronarsyndrome

Die akuten Koronarsyndrome umfassen sämtliche mit akuter myokardialer Ischämie einhergehende Krankheitsbilder. Gemeinsame pathophysiologische Grundlage der akuten Koronarsyndrome ist die atherosklerotische Plaque, die infolge Ruptur oder Erosion zu einem partiellen oder vollständigen Verschluss eines Koronargefässes führt. Die daraus resultierenden klinischen Manifestationen reichen von der stummen Ischämie über die instabile Angina pectoris bis zum Myokardinfarkt mit oder ohne ST-Hebungen. Das verbesserte Verständnis der Pathophysiologie der akuten Koronarsyndrome hat in den letzten Jahren zur Entwick-lung von neuen diagnostischen Markern sowie zur Vereinfachung der Therapierichtlinien geführt.

 

Die Elektrokardiographie (EKG) ist in der Praxis nach wie vor die wichtigste apparative Untersuchung, denn sie erlaubt die Unterteilung in die zwei Hauptkategorien der akuten Koronarsyndrome:

  • 1. ST-Streckenhebungsinfarkt (bzw. Infarkt mit neu aufgetretenem Linksschenkelblock): hier ist eine rasche Reperfusionstherapie anzustreben
  • 2. Sämtliche akuten Koronarsyndrome ohne ST-Streckenhebung im EKG: hier ist eine Risikostratifizierung angezeigt

Neben der Durchführung der EKG-Untersuchung gilt heute die Troponinbestimmung als unerlässliche Zusatzuntersuchung. Diese trägt nicht nur zur sensitiveren und rascheren Erkennung von akuten Koronarsyndromen bei, sondern ermöglicht auch eine Risikostratifizierung über das EKG hinaus. Zusammen mit der Klinik und dem EKG-Befund kann die Troponinbestimmung die weitergehende Therapie (konservativ/invasiv) wesentlich mitbestimmen und erlaubt zudem eine Kurz- und Langzeitprognose aufzustellen. Neue Biomarker wie die Myeloperoxidase, der lösliche CD-40 Ligand sowie Interleukinbestimmungen, werden zur Zeit evaluiert, haben aber als prognostische Indikatoren im klinischen Alltag (noch) nicht Einzug gehalten.

 

Die Grundpfeiler der Therapie der akuten Koronarsyndrome sind die medikamentöse Hemmung der Blutplättchen sowie der Koagulationskaskade und die Reperfusionstherapie. Alle Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ungeachtet der definitiven Diagnose) erhalten Azetylsalizylsäure, welche das relative Risiko für Tod, Myokardinfarkt und Hirnschlag um 25% senkt. Eine zusätzliche Therapie mit dem Thienopyridin Clopidogrel (Ladedosis 300 mg) hat sich bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom einer alleinigen Therapie mit Azetylsalizylsäure als überlegen erwiesen und resultiert in einer zusätzlichen relativen Risikoreduktion von Tod, Myokardinfarkt und Hirnschlag von 20%. Bei Patienten mit erhöhtem Risikoprofil (positives Troponin, dynamische EKG-Veränderungen) kann die Thrombozytenaggregationshemmung mit Glykoprotein IIb/IIIa-Antagonisten zu einer weiteren Senkung des Risikos beitragen. Während der Hospitalisation wird die Gerinnungskaskade durch unfraktionierte oder niedermolekulare Heparine gehemmt. Neben der Akutbehandlung spielt auch die antithrombotische Langzeitbehandlung zur Prophylaxe von Rezidivereignissen eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang sind die Therapie mit Clopidogrel (CURE-Studie) sowie der neue Thrombinantagonist Ximelagatran (ESTEEM-Studie) zu erwähnen.

 

Bei allen Patienten, welche gemäss Richtlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie der Hochrisikogruppe zugeteilt werden (rezidivierende Thoraxschmerzen, ST-Streckensenkungen oder dynamische ST-Streckenveränderungen, erhöhte Troponinwerte, instabile Hämodynamik oder Rhythmus), sollte eine frühe invasive Strategie erwogen werden.

 

Für die Therapie des Nicht ST-Hebungsinfarktes (FRISC-II, TACTICS-TIMI-18, RITA-3) verdichten sich in jüngster Zeit die Argumente der Überlegenheit einer raschen invasiven Strategie mittels Koronarangiographie und anschliessender Revaskularisation gegenüber einer konservativen medikamentösen Therapie. Die RITA-III-Studie konnte nachweisen, dass die Rate von Rezidivangina pectoris mittels früher invasiver Strategie gegenüber der medikamentösen Therapie halbiert werden konnte. In der TACTICS-TIMI-18-Studie konnten durch eine frühe invasive Strategie 20 Myokardinfarkte und 2 Todesfälle pro 1’000 behandelter Patienten mit nicht ST-Hebungsinfarkt verhindert werden. Die invasive Therapie erwies sich dabei mit Kosten von 12’739 Dollar pro gewonnenem Lebensjahr als kosteneffizient.

 

Beim akuten ST-Hebungsmyokardinfarkt galt bisher die rasche Einleitung einer Reperfusionstherapie entweder mittels Thrombolyse oder sofortiger (primärer) perkutaner Koronarintervention (PCI) als Therapie der Wahl. Inzwischen hat sich jedoch die primäre PCI einer Thrombolyse in Zentren, die über beide Therapieoptionen verfügen, als eindeutig überlegen erwiesen (PRAGUE, DANAMI, GUSTO IIb).

 

Dementsprechend hat die europäische Gesellschaft für Kardiologie in ihren neuen Richtlinien zur Behandlung von Patienten mit akutem ST-Streckenhebungsinfarkt festgehalten, dass die primäre PCI einer Thrombolyse vorzuziehen sei, sofern sie innerhalb von 90 Minuten in einem Zentrum mit erfahrenen Operateuren rund um die Uhr durchgeführt werden kann. Nach eigenen Schätzungen werden in der Schweiz schon zum heutigen Zeitpunkt bis zu 25% aller Koronarangiographien wegen akuten Koronarsyndromen durchgeführt. Mit der Durchsetzung der neuen europäischen Therapierichtlinien wollen wir an die uns zukommenden logistischen Engpässe in diesem Bereich hinweisen.

 

 

Dr. med. Mario Togni, Schweizerisches Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, Bern.



 
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